Bloomberg: Angriff auf US-Wahlsysteme war viel größer

Russischen Diensten zugeschriebene Attacken auf US-Wahlsysteme sollen weitaus umfangreicher gewesen sein, als aus einem geheimen NSA-Bericht hervorgegangen war. Das berichtet BloombergView.

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Anstecker zeigt US-Fahne und Aufschrift "VOTE"
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Die Vorwürfe gegen den russischen Militärgeheimdienst GRU, US-Wahlsysteme angegriffen zu haben, weiten sich aus. Unter Berufung auf drei Insider berichtet BloombergView, dass in zumindest 39 US-Staaten Hinweise auf Hacking oder Hackingversuche gefunden worden seien. Dies bezieht sich auf den Sommer und Herbst vergangenen Jahres, also den Zeitraum vor der US-Wahl im November.

Die US-amerikanische NSA beschuldigte den russischen GRU (Wappen). Der Kreml dementiert.

Vergangene Woche hatte The Intercept einen geheimen NSA-Ermittlungsbericht veröffentlicht. Darin wird unter anderem eine zweistufige Spearphishing-Kampagne beschrieben, die sich zuerst gegen einen Anbieter von Wahlsoftware und dann gegen 122 Konten verschiedener Wahlbehörden gerichtet haben soll. Die indirekte NSA-Mitarbeitern Reality Leigh W. ist wegen Preisgabe des Dokuments angeklagt und sitzt in Haft.

Doch laut Bloomberg waren die russischen Attacken wesentlich umfangreicher und das Weiße Haus habe davon gewusst, stieß aber bei manchen republikanisch geführten Wahlbehörden auf geringe Kooperationsbereitschaft. Sie waren zunächst gegen den Vorschlag, Wahlsysteme als wichtige nationale Infrastruktur zu definieren, was Bundesbehörden mehr Einfluss gegeben hätte. Erst nach der Wahl wurde diese Maßnahme umgesetzt.

Obama soll den Kreml über das berühmte Rote Telefon, das kein Telefon im klassischen Sinne ist, gewarnt haben. Die russische Gegenseite bat dem Bericht zufolge um mehr Unterlagen und hackte weiter. Öffentlich hat Russlands Präsident Vladimir Putin Wahlhacking in Abrede gestellt.

Von Manipulation an Wahlautomaten oder Stimmenzählsystemen ist bei Bloomberg keine Rede. Der Bericht erwähnt aber, wie die Ermittler die "russische Fährte" aufgenommen haben: Laut einem namentlich genannten Funktionär Illinois' hatte ein Teilzeitmitarbeiter unerlaubte Datentransfers bemerkt. Daten über 90.000 Wähler wurden demnach kopiert. Außerdem hätten die Angreifer versucht, das Wählerverzeichnis zu verändern oder zu löschen.

Aus den digitalen Spuren aus Illinois wurden Signaturen erstellt, die dann anderen Wahlbehörden zur Verfügung gestellt wurden. Aus 37 weiteren Staaten sowie von privaten Wahldienstleistern in Florida und Kalifornien wurden positive Abgleiche aus deren Logs gemeldet. Weitere Stellen könnten betroffen sein, weil offenbar nicht alle Meldung erstattet haben.

Hillary Clinton erhielt bei der Volkswahl im November die meisten Stimmen.

Das US-Wahlsystem ist arg zersplittert. Bei einer landesweiten Wahl sind rund 7.000 Wahlbehörden tätig. Das erweist sich insofern als Vorteil, als die Hacker keine zentrale Einrichtung unterminieren können. Im Falle Illinois wäre selbst eine Löschung des Wahlergebnisses keine Katastrophe gewesen: Der Angriff erfolgte auf ein System des Staates Illinois, der nur eine Kopie hatte. Erstellt werden die Wählerlisten dort nämlich von lokalen Wahlbehörden.

Umgekehrt ist es teuer und aufwändig, so viele kleine Systeme gut zu schützen, die nur für Wahlen gebraucht werden. Und für die Angreifer reichen kleinere Nadelstiche aus, um Zweifel an der Integrität des Systems zu schüren und so das Land in eine politische Krise zu stürzen. Eine umfangreiche Veränderung des Wahlergebnisses ist dafür nicht erforderlich. (ds)