Boeing 737 Max: US-Flugaufsicht findet neue Probleme

Die Wiederzulassung des nach zwei Abstürzen stillgelegten Flugzeugtyps könnte sich verzögern, nachdem die FAA eine neue Schwachstelle gefunden hat.

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Fliegende Boeing 737 Max 9 von unten

Muss seit März am Boden bleiben: Boeing 737 Max.

(Bild: Boeing)

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Inhaltsverzeichnis

Mehr schlechte Nachrichten für den US-Flugzeugbauer Boeing: Die Wiederzulassung der nach zwei Abstürzen von den Behörden vorübergehend stillgelegten Boeing 737 Max dürfte sich verzögern, nachdem die US-Luftfahrtbehörde FAA ein neues Problem entdeckt hat. Die FAA habe ein "potenzielles Risiko" entdeckt, das behoben werden müsse, teilte die Behörde mit, ohne weitere Einzelheiten zu nennen. Boeing bestätigte lediglich, das die Behörde zusätzliche Anforderungen gestellt habe und diese erfüllt würden.

Damit ist unklar, ob das von der FAA gefundene Problem im Zusammenhang mit dem automatischen Trimmsystem MCAS steht, das als mögliche Ursache für zwei Abstürze einer Boeing 737 Max im vergangenen Jahr gilt. US-Medienberichten zufolge ist das Problem bei Simulatorflügen aufgetreten, bei denen die FAA-Testpiloten ein als Absturzursache vermutetes Fehlverhalten der MCAS-Trimmautomatik provozieren wollten.

MCAS ist eine automatische Steuerung der Trimmung des Höhenleitwerks am Heck des Flugzeugs. Dabei werden die ganzen Flossen des Höhenleitwerks bewegt, um die Fluglage der Maschine zu stabilisieren. MCAS ist ein Softwaresystem, das für die Boeing 737 Max eingeführt wurde, um einen durch konstruktive Änderungen an dem Flugzeugtyp bedingten stärkeren Auftrieb zu kompensieren und eine möglicherweise kritische Fluglage zu verhindern. MCAS soll in bestimmten Fällen die Nase des Flugzeugs nach unten drücken.

In den vergangenen Monaten waren zwei Flugzeuge des Typs Boeing 737 Max unter vergleichbaren Umständen verunglückt; dabei kamen 346 Menschen ums Leben. Im Oktober 2018 war eine Maschine der indonesischen Luftfahrtgesellschaft Lion Air elf Minuten nach dem Start in Jakarta ins Meer gestürzt. Vier Monate später zerschellte eine Boeing 737 Max der Ethiopian Airlines kurz nach dem Takeoff vom Flughafen Addis Abeba. In beiden Fällen hatten die Piloten vergeblich versucht, die Nase des Flugzeugs oben zu halten.

Nach den Abstürzen entzogen zahlreiche Länder der Boeing 737 Max 8 und Max 9 die Betriebserlaubnis. Nachdem sich Mitte März auch die FAA für ein Flugverbot entschieden hatte, bleiben alle bisher ausgelieferten Maschinen des Typs am Boden. Boeing arbeitet seither an der Verbesserung der Software für MCAS, um die Zertifizierung für den Flugzeugtyp wiederzuerlangen. Unterdessen geht die Untersuchung der Unglücksursachen beider Abstürze weiter.

Bei den FAA-Simulatortests könnte unbestätigten Berichten zufolge nun auch ein Hardware-Problem aufgetreten sein. US-Medien berichten unter Berufung auf ungenannte Quellen von einem fehlerhaften oder überlasteten Prozessor, der für ein ähnliches Fehlverhalten verantwortlich sein könnte. Ob dabei ein Zusammenhang mit MCAS besteht, ist nicht klar. Dennoch wird in Fachkreisen spekuliert, dass die von MCAS verarbeiteten Daten den Prozessor möglicherweise überlasten könnten.

Ein Großkunde für die betroffenen Jets ist die TUI, die sich von den neuen Nachrichten zunächst unbeeindruckt zeigt. "Wichtig ist der FAA-Testflug Mitte Juli", erklärte ein Tuifly-Sprecher. Dieser erste Zertifizierungsflug kann Medienberichten zufolge frühestens am 8. Juli stattfinden. Insider gehen allerdings davon aus, dass sich die Zertifizierung wegen dem neu gefundenen Problem weiter verzögern dürfte. Boeing sagt dazu nur, dass der Hersteller das Flugzeug erst zur erneuten Zertifizierung anmeldet, wenn alle Probleme behoben wurden.

Zuletzt war bereits vermutet worden, dass sich das Prüfverfahren noch Monate hinziehen könnte. Boeing-Chef Dennis Muilenburg ging auf dem Luftfahrtsalon in Le Bourget bei Paris davon aus, dass die Flugfreigabe noch in diesem Jahr erfolgen wird. Ob bei der ursprünglichen Zertifizierung der Boeing 737 Max alles mit rechten Dingen zuging, ist zudem Gegenstand einer Untersuchung der US-Behörden.

Im Zuge der Aufklärung der Abstürze in Indonesien und Äthiopien räumte Boeing auch ein, bereits rund ein Jahr vor dem ersten Unglück von einem Problem der 737 Max gewusst zu haben. Obwohl bereits einige Monate nach Auslieferungsbeginn der Baureihe im Mai 2017 festgestellt wurde, dass etwas mit dem Warnsystem in den Cockpits nicht stimmte, wurde die FAA und Piloten erst nach dem ersten Absturz im Herbst vergangenen Jahres informiert.

Ein Pilot hat das Unternehmen aufgrund der Unglücke und den danach verhängten Startverboten für die betroffenen Maschinen vom Typ 737 Max wegen finanzieller und weiterer Schäden verklagt. Der Sammelklage könnten sich weitere Piloten anschließen. Der Kläger erhebt schwere Anschuldigungen. Boeing und der US-Luftfahrtbehörde FAA wird "eine beispiellose Vertuschung" bekannter Fehler der 737 Max vorgeworfen. Die Abstürze und die folgenden Flugverbote seien deshalb "vorhersehbar" gewesen. (vbr)