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Brandenburg Labs: Mister mp3 macht jetzt immersives Audio​

mp3-Erfinder Karlheinz Brandenburg zeigt auf der CES einen Kopfhörer, der klingen soll wie die Realität. Die Demo ist beeindruckend.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Robin Brand

Ob Karlheinz Brandenburg mit seinem neuen Baby seine berühmteste Erfindung in den Schatten wird stellen können, ist fraglich. Doch unsere erste Hörprobe verlief vielversprechend: Auf der CES zeigt Brandenburg Labs eine Technik, mit der Kopfhörer so räumlich klingen sollen wie im Raum verteilte Geräuschquellen

Man kennt ihn vor allem als Co-Erfinder der mp3 und das wird wohl noch eine Weile so bleiben. Doch Karlheinz Brandenburg ist sich sicher, dass er mit seinem Team gerade erneut am Anfang von etwas Großem steht. "Die Idee ist ja nicht neu", sagt Brandenburg. Schon seit 50 Jahren werde versucht, den räumlichen Kopfhörer zu bauen, sagt Brandenburg. Und auf den zahlreichen Vorarbeiten aufbauend, hätten er und sein Team es geschafft, gibt er sich sicher.

Noch sieht der räumlich klingende Kopfhörer etwas seltsam aus: ein halboffener Sennheiser-Kopfhörer, dem man eine Art Geweih umgebunden hat. Tatsächlich handelt sich dabei um einen HTC Vive Tracker, der stets die genaue Position des Kopfhörers verfolgt – und das Tracking ist die entscheidende Zutat für die räumliche Klangillusion des Brandenburg-Kopfhörers.

Dass man mit Lautsprechern in einem Raum einen realistischen Klang realisieren könne, liege nicht zuletzt an der Vermessung des Raums, erklärt Brandenburg. Er und sein Team übertragen das Prinzip auf Kopfhörer. "Das Gehirn erinnert sich an die Akustik des Raums", sagt Brandenburg. Deswegen müsse man den Raumklang im Kopfhörer abbilden.

Ist der Raum eingemessen, lassen sich verschiedene Klangobjekte darin verteilen. Auf individuelle Klangprofile für eine dreidimensionale binaurale Wiedergabe, sogenannte Head Related Transfer Functions (HRTF), verzichtet Brandenburg Labs. Einmal eingerichtet, funktioniert der Kopfhörer für alle Ohren.

Bei der Vorführung in Las Vegas bildeten die Kopfhörer zwei Lautsprecher ab, die zudem tatsächlich im Raum standen. Der Effekt war verblüffend: Ob ein Stück über die Lautsprecher oder über die Kopfhörer abgespielt wurde, war praktisch nicht zu unterscheiden. Dabei platzierten die Kopfhörer die Lautsprecher nicht ungefähr an ihrem realen Ort, sondern genau dort. Die Illusion, man höre über die Lautsprecher blieb auch beim Herumlaufen erhalten.

Einen Vorteil von Kopfhörern schränkt die Technik allerdings ein: Dass er sich auf dem Kopf einfacher herumtragen lässt als ein Lautsprechersystem – denn verlässt man den Raum, ist die schöne Klangillusion dahin, sie funktioniert nur im eingemessenen Raum. Und auch innerhalb des Raums ist die Bewegungsfreiheit vom verwendeten Kabel abhängig. Denn noch funktioniert der Kopfhörer nicht kabellos.

Aktuell liefert Brandenburg Labs das System an erste Kunden aus – für rund 5000 Euro. Dass das derzeitige Setup allenfalls in der Nische existieren kann, ist Brandenburg bewusst. Deswegen arbeite man bereits an einer einfacheren Raumeinmessung, die keine Techniker von Brandenburg Labs mehr benötige. Auch der Tracker soll eleganter in den Kopfhörer integriert, eine kabellose Lösung gefunden werden.

Derzeit sei das System vor allem für Musikstudios interessant, sagt Brandenburg. Weitere potenzielle Anwendungsszenarien sieht er in VR-Anwendungen, Videokonferenzen, Gaming, Filmen oder immersiven Exponaten in Museen. Aktuell kann die Software 16 Audioobjekte im Raum abbilden, doch es gebe "kein echtes Limit".

Doch zunächst braucht Brandenburg Labs Investoren. 5 bis 10 Millionen Euro erhofft sich Brandenburg, der sich in Vorbereitung einer Finanzierungsrunde befindet. "Wir müssen schauen, ob Investoren im europäischen Markt genug Fantasie dafür haben." Mithilfe eines Auftragsfertigers wolle man einen eigenen Kopfhörer bauen und für eine breitere Masse interessant machen. Und wenn alles klappt wie erhofft, macht sich Mister mp3 vielleicht in Zukunft einen Namen als Mister Immersives Audio.

(rbr)