Kennzeichenscanning: Brandenburg plant Vorratsspeicherung und Section Control

Entgegen den Bundesvorgaben will das brandenburgische Innenministerium eine Befugnis zum Aufzeichnen gescannter Nummernschilder zur Gefahrenabwehr schaffen.

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(Bild: nep0/Shutterstock.com)

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Trotz Kritik aus der rot-schwarz-grünen Koalition will der brandenburgische Innenminister Michael Stübgen (CDU) seinen Plan in die Tat umsetzen, das automatische Kfz-Kennzeichenscanning auf Autobahnen des Bundeslandes zu reaktivieren und erfasste Daten teils sogar erneut auf Vorrat zu speichern. Er hat einen entsprechenden Entwurf zur Reform des Polizeigesetzes jetzt in den Landtag eingebracht. Zudem will der Ressortchef die als Streckenradar bekannte Geschwindigkeitsmessung "Section Control" einführen, die in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bereits genutzt wird.

Erst voriges Jahr hatte das Landgericht Frankfurt (Oder) entschieden: Die jahrelange Praxis Brandenburgs, mithilfe des automatischen Kennzeichenerfassungssystems Kesy im "Aufzeichnungsmodus" alle Fahrzeugbewegungen auf Autobahnen lange aufzubewahren, war illegal. Der Bundestag hat zudem mittlerweile eine einheitliche Rechtsbasis für den Einsatz solcher Lesesysteme geschaffen. Damit darf nur ein Fahndungsmodus aktiviert werden. Hier prüft das System, ob das erfasste Nummernschild in Datenbanken etwa mit gestohlen gemeldeten Fahrzeugen gelistet ist. Liegt kein Treffer vor, wird die Aufzeichnung im Einklang mit Urteilen des Bundesverfassungsgerichts sofort gelöscht. Der Bundesrat und insbesondere Brandenburg drängten damals vergeblich auf die Zulässigkeit einer weitergehenden Speicheroption.

Stübgens Entwurf sieht eine solche nun trotzdem vor. Dem Papier zufolge, das Netzpolitik.org im Volltext veröffentlicht hat, wird der "Fahndungsmodus auf den vom Bundesverfassungsgericht für verfassungsgemäß bewerteten Rahmen hin erweitert" um eine Option von bis zu dreimonatigen Aufzeichnungen. Diese sollen Ermittler nutzen können "zur Abwehr von Gefahren für hochwertige Rechtsgüter durch noch laufende Straftatenserien". In der Begründung ist dabei etwa von Betäubungsmittel-, Eigentums-, Schleuserkriminalität die Rede. Dazu kommen wiederholte gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, Serienvergewaltigungen und -tötungen im öffentlichen Straßenraum und ständige Bandendiebstähle auf Raststätten.

Derzeit seien die Kompetenzen der Landespolizei in solchen Fällen "erheblich reduziert", argumentiert das Innenministerium. Solche Befugnisse seien aber nötig, um künftig etwa in einem dem "Autotransporter-Fall" vergleichbaren Sachverhalt rasch den Störer zu ermitteln und an der weiteren Tatbegehung zu hindern. Das Bundeskriminalamt erfasste in der genannten Untersuchung allein im ersten Halbjahr 2013 mehrere Millionen Kfz-Kennzeichen und erhob rund 600.000 Handy-Datensätze per Funkzellenabfrage, um Schüsse auf Lastzüge auf Autobahnen aufzuklären.

Die ebenfalls vorgesehene technikgestützte "Abschnittskontrolle" sorge im Gegensatz zu derzeit eingesetzten, punktuell wirkenden Radarüberwachungen "für die Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit in einem festgelegten Streckenabschnitt", schreibt das Ressort. Dadurch könne die Verkehrssicherheit "in streckenmäßig längeren Gefahrbereichen" erhöht werden. Dass dafür mehr Kameras mit Option zum Kennzeichenscanning eingeführt werden müssten, dürfte dem Ministerium gelegen kommen. Die SPD sieht weiterhin "Diskussionsbedarf", die Grünen lehnen eine Auto-Vorratsdatenspeicherung entschieden ab. Die brandenburgische Datenschutzbehörde hält dieses Instrument nach wie vor für unverhältnismäßig.

(tiw)