Brandenburg richtet zentrale Sexualstraftäterdatei ein

Nach Bayern und Niedersachsen werden nun auch in der Mark einschlägig vorbestrafte Sexualstraftäter mit einer "Haftentlassenen-Auskunftsdatei" schärfer überwacht, um die Rückfallgefahr zu verringern.

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Nach Bayern und Niedersachsen werden nun auch in Brandenburg einschlägig vorbestrafte Sexualstraftäter schärfer überwacht. Die brandenburgische Justizministerin Beate Blechinger (CDU) verkündete am Freitag, dass ihr Land am 1. Januar ein neues zentrales Computersystem eingerichtet hat. Darin werden Delinquenten erfasst, die zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden oder bereits Gefängnisstrafen abgebüßt haben. Die Betroffenen sollen Polizei und Justiz dann künftig "einer besonderen Beurteilung" unterziehen. Wird hierbei eine besondere Rückfallgefahr festgestellt, erfolge eine "noch engere Begleitung des entlassenen Täters". Jeder wegen Sexualvergehen Verurteilte solle wissen: "In Brandenburg haben wir künftig ein besonderes Auge auf dich."

Brandenburg übernimmt das Konzept HEADS (Haft-Entlassenen-Auskunfts-Datei-Sexualstraftäter) aus Bayern, das auch für einen bundesweiten Ansatz im Gespräch ist. Die konkrete Software hat nach eigenen Angaben die Unterföhringer Firma Polygon Visual Content Management speziell für die Anwendung in der Mark entwickelt. Die entsprechende Datenbankanwendung trägt den Titel Polys-HEGS ("Haftentlassene Gewalt- und Sexualstraftäter". Bei dem Konzept und der Software soll nicht zu sehr in die Privatsphäre der Betroffenen eingegriffen werden, da die eingespeisten Daten nur von einer Zentralstelle bei der Polizei abgerufen werden können. In Brandenburg handelt es sich dabei um eine gesonderte Einheit beim Landeskriminalamt (LKA) in Eberswalde. Sie soll nachgeordnete Polizeibehörden informieren, damit auf den Einzelfall abgestimmte Maßnahmen veranlasst und auf lokaler Ebene umgesetzt werden können.

Im Rahmen eines Tests werden zunächst 53 Fälle in die brandenburgische HEADS eingespeist, die im vorigen Halbjahr aus Justizvollzugsanstalten entlassen wurden. Auf der Liste von LKA-Direktor Dieter Büddefeld stehen für den Regulärbetrieb der Zentraldatei, der am 1. Juli starten soll, aber auch alle 254 Häftlinge, die derzeit in märkischen Gefängnissen und im Maßregelvollzug wegen Sexualdelikten einsitzen. Dazu kommen 145 "Altfälle", die in der Bewährungszeit unter "Führungsaufsicht" stehen. Die Rückfallquote schätzt Blechinger bei Sexualstraftätern im Bundesdurchschnitt auf 20 bis 30 Prozent. Bei bestimmten Gruppen wie Pädophilen liege sie sogar bei bis zu 80 Prozent. Auch bei jüngeren Kriminelle in diesem Bereich sei die Wiederholungsgefahr besonders groß.

Büddefeld betonte bei der Vorstellung der Datei, dass diese nichts mit der in den USA praktizierten und auch hierzulande vor allem von Unionspolitikern wiederholt geforderten Veröffentlichung der Wohnsitze von Sexualverbrechern im Internet zu tun habe. Es gehe allein um die Verbesserung der internen Kommunikation der Strafverfolgungsbehörden. Gespeichert werden in der Datei Lebensläufe, Urteile, Gutachten und Rückfallprognosen. Dazu kommen als biometrische Merkmale Fingerabdrücke und DNA-Proben, von denen sich die Polizei Hilfe bei der Aufklärung neuer Sexualstraftaten erhofft.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) begrüßte die Einführung von HEADS als "sinnvolles Puzzleteil zum Schutz der Bevölkerung vor tickenden Zeitbomben im Bereich der Sexualdelikte". Der BDK-Landesvorsitzender Wolfgang Bauch warnte zwar vor zu hohen Erwartungen. Zugleich sprach er sich aber dafür aus, die Datei in allen Bundesländern einzuführen und die Systeme zu vernetzen. Zudem forderte er zusätzliche Stellen in den Schutzbereichen. Die brandenburgische Landesdatenschutzbeauftragte Dagmar Hartge hatte dagegen im Projektstadium Bedenken gegen HEADS angemeldet. Es sei unklar, ob diese von der schwarz-roten Regierung berücksichtigt worden seien. Ihre Behörde sei erst nachträglich über die Inbetriebnahme der Datei informiert worden. (Stefan Krempl) / (anw)