Breitband-Experte: Microsoft hat keinen Platz im digitalen TV

Microsoft versucht, auf den Markt für digitales und interaktives TV vorzudringen -- Marktbeobachter glauben nicht, dass der Konzern das Monopol aus der PC-Welt auf die Settop-Boxen übertragen kann.

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Werner Lauff vom Beratungshaus PricewaterhouseCoopers (PwC) glaubt, dass Bill Gates aufgrund seiner "Politik des offenen Scheunentors" mit Settop-Boxen nicht reüssieren kann. Microsoft werde sich mit dem Plan, seine Herrschaft über die PC-Desktops der Welt auf das digitale Fernsehen und die dafür benötigten Settop-Boxen auszudehnen, nicht durchsetzen können, meint Lauff, Leiter der Abteilung Entertainment und Medien bei PwC. "Was Microsoft mit Windows geschaffen hat, ist ein Chaos im Bereich der Computertechnologie", sagte Lauff auf dem Streaming-Media-Kongress, der am gestrigen Donnerstag zu Ende gegangenen Internet World. Es sei ein Fehler, eine solche Software auf neue Plattformen zu übertragen. Gerade beim interaktiven Fernsehen sei "alles mit einer gewaltigen Formenstrenge verbunden", erläuterte der ehemalige Chef der aufgelösten Breitband-Gruppe von Bertelsmann. Das dürfe nicht ausarten in Probleme mit der Sicherheit oder gar mit Treibern, wie sie aus der Welt des PC bekannt seien.

Erfolg haben können auf den Settop-Boxen nur Anbieter, erklärte Lauff weiter gegenüber heise online, "die sich auf die Kernfähigkeiten ihrer Software konzentrieren". Der Featurismus von Microsoft und die Gatessche "Politik des offenen Scheunentors" sei für das digitale Fernsehen dagegen gefährlich. Auch im Internet speise sich ein wesentlicher Teil der Ablehnung des E-Commerce aus Sicherheitsbedenken, die mit Viren, Trojanern und 0190-Dialern zusammenhingen. Derlei Gefährdungen dürfe der TV-Zuschauer nicht ausgesetzt werden, meinte Lauff, der auch schon einmal als "New-Media-Pionier mit spitzer Zunge" bezeichnet wurde.

Cyrill Glockner, Business Manager Infrastructure bei Microsoft Deutschland, mochte die Befürchtungen Lauffs nicht teilen und stellte den neuen Konzernansatz dagegen: "Wir machen auf einer Seite die PC-Plattform sicherer und stellen auf der anderen Seite Technologien für ganz reduzierte Systeme zur Verfügung." Die Software für eine Settop-Box sei natürlich nicht mit der für einen Desktop-Rechner zu vergleichen und in ihren Funktionen deutlich eingeschränkt. Auch die Xbox höre momentan klar beim Gaming auf: "Was man da sonst noch reininterpretieren kann," ist für Glockner "Musik für die Zukunft".

Für Microsoft hat der Kampf um die Wohnzimmer eine strategisch wichtige Bedeutung. Um seine Software für Settop-Boxen unters Volk zu bringen, hat Bill Gates beispielsweise im Dezember den US-Kabelanbieter Comcast in der Schlacht um die Übernahme der Breitband-TV-Sparte von AT&T gegen den Konkurrenten AOL Time Warner finanziell kräftig unterstützt, sodass dieser den Mitbewerber ausstechen konnte. Trotz der Milliardeninvestitionen verläuft das Geschäft im Bereich interaktives Fernsehen für Microsoft bislang aber ernüchternd: Neben TV Cabo aus Portugal hat sich bislang kaum ein Kabel- oder Programmanbieter für Software von Bill Gates erwärmt. (Stefan Krempl) / (jk)