Hintergrund: Microsoft schlägt AOL Time Warner im US-Kabelmarkt

Der Redmonder Riese ist heimlicher Gewinner beim Sieg von Comcast im Rennen um die Kabelfernsehsparte von AT&T.

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Mit dem Verkauf der Kabelsparte von AT&T an Comcast ist nicht nur eine Entscheidung über die Vorherrschaft im US-amerikanischen TV-Kabelmarkt gefallen. Da sich Personalcomputer in der Normalbevölkerung längst noch nicht als Standardeinrichtung im Wohnzimmer durchgesetzt haben und wahrscheinlich mittelfristig auch nicht durchsetzen werden, setzen große Internet-Dienstleister wie AOL und Microsoft auf digitales Fernsehen und Internet-Zugang via Kabel und Satellit, um ihre Inhalte interaktiv an den Mann und die Frau zu bringen. Kein Gerät der Unterhaltungsindustrie erreicht in den westlichen Ländern einen solchen Sättigungsgrad wie das Fernsehen. Noch dazu können die TV-Kabelnetze auch zum Telefonieren und als Breitbandzugang zum Internet dienen.

Im erbitterten Kampf um AT&T Broadband hat nun Comcast das Rennen gemacht und Mitbieter AOL Time Warner ausgestochen. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte Erzkonkurrent Microsoft zuvor Comcast, aber auch dem Dritten im Bunde Cox Communication finanzielle Unterstützung zugesagt. Nun wird Microsoft in der Vorstandsetage von Comcast einige Freunde hinzugewonnen haben und Chancen wittern, seinen Internetservice MSN und das interaktive Microsoft TV im Kabelnetz zu etablieren. Die Entscheidung für Comcast ist um so bedeutender, als Microsoft in Europa ins Hintertreffen zu geraten droht.

Dass sich Bill Gates' Firma beim Bietergerangel derart generös und zurückhaltend verhielt, hat gute Gründe: Zum einen werden die 5 Milliarden US-Dollar, die Microsoft vor zwei Jahren in AT&T investiert hatte, in 115 Millionen Aktien der neuen Kabel-Firma umgewandelt. Damit hätte der Softwarekonzern rund 5 Prozent Anteile am neuen Unternehmen AT&T Comcast. Zum anderen hat Microsoft vor vier Jahren rund eine Milliarde US-Dollar in Comcast selbst investiert. Josh Bernoff, Analyst bei Forrester Research, nimmt deshalb an, dass wegen dieser Vorgeschichte AT&T Comcast mit großer Wahrscheinlichkeit auf TV-Technik von Microsoft setzen wird.

Gewissermaßen durch die Hintertür sichert sich Microsoft so Chancen auf dem größten Teil des US-amerikanischen Fernsehmarktes, zumal AT&T Broadband das neue Unternehmen als größter Kabelfernsehanbieter rund 22 Millionen Kunden haben wird. Die Gesellschaft wird rund ein Fünftel aller US-Haushalte erreichen und es auf einen Umsatz von 19 Milliarden US-Dollar bringen. Sie wird in 41 amerikanischen Bundesstaaten und in 17 von 20 amerikanischen Ballungsgebieten vertreten sein.

Mit AT&T Comcast, Charter Communications und AOL Time Warner werden sich drei Konzerne rund 65 Prozent des US-amerikanischen TV-Kabelmarktes teilen. Die US-amerikanische Kartellbehörde, so vermuten Experten, werde beim Comcast-Deal kaum Einwände haben. Innerhalb des nunmehr fast abgelaufenen Jahres habe sich die Politik der Behörde geändert, sie schaue nicht mehr so streng auf sich anbahnende Fusionen. Auch sieht die Gesetzeslage nun anders aus: Im März 2001 setzte ein Bundesgericht eine Regel der US-amerikanischen Regulierungsbehörde (FCC) aus, nach der Unternehmen, die rund 30 Prozent des nationalen TV-Marktes kontrollieren, genauer unter die Lupe genommen werden. AT&T Comcast, das rund 25 Prozent Marktanteil haben wird, könnte durch dieses Regelungsvakuum schlüpfen, bis die Regulierer im kommenden Jahr neue Vorgaben aufgestellt haben.

AOL Time Warner ist aber noch nicht ganz aus dem Rennen um die US-amerikanischen Wohnzimmer. Der Medienriese ist Hauptanteilseigner am Joint Venture Time Warner Entertainment, an dem AT&T zu 25 Prozent beteiligt ist. Wenn AT&T Comcast diese Anteile beerben wird, so glauben Experten, wird AOL Time Warner keine Gelegenheit ungenutzt lassen, um auf diesem Weg Einfluss auf das neue Unternehmen auszuüben. (anw)