Breitband-Internet auf dem steinigen Weg zum Massenmarkt

Eine deutsche Breitbandinitiative von Wirtschaft und Politik will nationales Strategiepapier entwickeln und den Markt stimulieren -- der noch keineswegs von tragfähigen Geschäftsmodellen geprägt ist.

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Die Deutsche Breitbandinitiative, zu der sich Wirtschaft und Politik im Rahmen der Initiative D21 zusammengeschlossen haben, will bis Ende des Jahres ein "nationales Strategiepapier" mit Rahmenbedingungen zur Marktentwicklung erarbeiten. "Wir werden klare Zielsetzungen formulieren," versprach Henrik Tesch von Cisco Deutschland am heutigen Freitag auf einem Workshop des jungen D21-Sprösslings im Berliner Büro der Router-Firma. "Dabei soll klargestellt werden, welche Hausaufgaben auf beiden Seiten zu machen sind." Vorgabe ist, bis 2005 die Hälfte der deutschen Surfer per Breitband-Turbo durchs Netz zu schicken.

Auf die Initiative wird viel Arbeit zukommen. Auch wenn zumindest bei T-Online dank T-DSL "Breitband beileibe nicht mehr als Nischenmarkt" gilt, wie Guido Weishaupt, Content-Chef des führenden europäischen Providers, ausführte, ist der Weg zum Massenmarkt mit rentablen Geschäftsmodellen noch steinig und weit. Von einem blühenden Wettbewerb der Zugangstechnologien kann keine Rede sein, da das TV-Kabel "verrottet", wie Elmar Müller von der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag beklagte. Auch UMTS kommt nicht in die Gänge und W-LAN ist im Experimentierstadium -- teilweise aber mit interessanten Ansätzen zur "Selbstversorgung" im Nachbarschaftsbereich. Anwendungen, die Verbrauchern und Unternehmen die Notwendigkeit eines teuren Breitbandzugangs vor Augen führen, gibt es noch kaum. Dateientausch per Peer-to-Peer-Techniken lockt zwar die Heavy-User, interessiert die breite Masse der Konsumenten aber bislang kaum. Und Sex-Bildchen lassen sich auch per ISDN prima online besorgen.

"Breitband ist Chefsache in dieser Bundesregierung", verkündete angesichts der immer noch großen Unwägbarkeiten dann auch Bernd-Wolfgang Weismann vom Bundeswirtschaftsministerium vorsorglich. Weismann sieht vor allem von elektronischen Gesundheitsdiensten und dem Bildungssektor mögliche Impulse ausgehen. Aber: "Das ist kein Thema für Subventionen", stellte Weismann klar. Breitband-Lösungen könnten sich nur durchsetzen, wenn sie privat finanziert würden.

Die Wirtschaft präsentierte sich in Berlin jedoch ziemlich ratlos mit Content-Strategien. Martin Hüppe vom Schulbuchverlag Cornelsen gab offen zu, mit ersten Breitband-Anwendungen wie dem Anbieten von Nachhilfe übers Netz gescheitert zu sein. Kai Lembke von TUI Infotec schwärmte zwar von "virtuellen Hotelrundgängen" und anderen Infotainment-Angeboten, die sogar "zu Transaktionen" führen würden. Bei T-Online, wo die über zwei Millionen DSL-Kunden bereits über die Hälfte des gesamten Netzverkehrs ausmachen, zauberte Weishaupt das Video-Streaming von der Aktionärshauptversammlung der Deutsche Telekom als einen der am meisten nachgefragten Breitband-Dienste aus dem Hut. Doch gleichzeitig beklagte er, dass im Bereich multimedialer Inhalte "die Phantasie der Anbieter in den Hintergrund zu treten scheint" und sich auf das Einstellen einer Videothek ins Netz beschränke. Frank Schlie-Roosen vom Bundesforschungsministerium befand auch für den Bereich der Wissenschaft, dass sich keiner richtig mit dem Generieren von Content beschäftige. Ein gezieltes Förderprogramm in Höhe von 25 Millionen Euro soll diesem Manko entgegensteuern.

Engelbert Suchla von BMW warnte allerdings davor, die Breitbandtechnik zu sehr mit den Inhalten zu verbinden und immer nur nach der Killer-Applikation zu schielen. Wichtiger sei es, Breitband als Basistechnologie etwa auch für den B2B-Bereich und das Entstehen virtueller Unternehmen sowie als Kommunikationsinfrastruktur zu sehen. Vor allem der Mittelstand müsse über die neuen Möglichkeiten aufgeklärt werden.

Noch uneinig ist sich die Wirtschaft auch, ob mit dem Breitbandnetz der viel beschworene Abschied von der Kostenlos-Kultur des Internet endlich vollzogen werden kann. Sören Stamer von Core Media sieht mit DSL und Co. die Chance verbunden, "für jede E-Mail" und für "jede abgerufene Website" ein paar Cents zu verlangen -- "genauso wie bei SMS". Der T-Online-Vertreter verwies dagegen auf "beschränkte Budgets" der Nutzer und hofft auf die Wiederbelebung klassischer Refinanzierungsmöglichkeiten wie Online-Werbung und E-Commerce, die dank Multimedia mit mehr Emotionen verpackt und damit dem Kino ähnlicher werden könnten. (Stefan Krempl) / (jk)