Brüssel hält sich bedeckt im Streit um die Vorratsdatenspeicherung

Die EU-Kommission hat Anträge zur Einsicht in die Akten zur Klage Irlands gegen die verdachtsunabhängige Vorhaltung von Verbindungs- und Standortdaten sowie zum Flugdaten-Transfer in die USA zurückgewiesen.

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Die EU-Kommission hat einen Antrag eines Bürgerrechtlers zur Einsicht in die Akte zur laufenden Klage Irlands gegen die Richtlinie zur verdachtsunabhängigen Vorratsspeicherung von Verbindungs- und Standortdaten zurückgewiesen (PDF-Datei). Nichts wissen von Informationsfreiheitsrechten will die Brüsseler Behörde zudem bei der bereits entschiedenen Klage des EU-Parlaments gegen die Weitergabe von Flugpassagierdaten (Passenger Name Records, PNR) an die USA. Auch hier ereilte eine Anfrage zum Aktenzugang ein ablehnender Bescheid. (PDF-Datei).

Als Begründung bringt die Kommission im ersten Fall insbesondere vor, dass die Veröffentlichung von Schriftsätzen in dieser Phase des laufenden Verfahrens "die Verteidigungsrechte der Parteien unterminieren". Auch im zweiten, bereits abgeschlossenen Verfahren wollen die Brüsseler Gremien ihre Unabhängigkeit im Umgang mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewahrt sehen.

"Angesichts des stetig wachsenden öffentlichen Interesses an Vorratsdatenspeicherung und Flugdatenübermittelung ist die Ablehnungsbegründung absurd", kommentiert die Mülheimer Autorin Bettina Winsemann (alias Twister) vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, aus dessen Reihen die Anträge auf Aktenzugang initiiert wurden. "Die Kommission bewertet hier die kaum nachvollziehbare 'Geheimhaltung' höher als das öffentliche Interesse und schreibt im gleichen Moment, dass die wesentlichen Argumente bereits veröffentlicht wurden." In diesem Fall sei aber nicht nachvollziehbar, warum die Dokumente nunmehr nicht komplett freigegeben würden. Winsemann vermutet, dass die Kommission die Dokumente nur deshalb unter Verschluss hält, weil sie "den Gegnern der geplanten Totalprotokollierung der Telekommunikation" und anderer Überwachungsmaßnahmen nicht noch weitere Argumente liefern wolle. Brüssel reagiere zunehmend nervös in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Datensammel-Richtlinie.

Zwei Monate nach dem Absegnen der Direktive über die sechs- bis 24-monatige Vorratsdatenspeicherung erklärte der EuGH im vergangenen Jahr die Fluggastdatenübermittlung in die USA für unzulässig. Zur Begründung führte er aus, dass die Europäische Gemeinschaft für die innere Sicherheit nicht zuständig sei und das inzwischen neu verhandelte Abkommen zum PNR-Transfer keine Rechtsgrundlage habe. Unter Berufung auf dieses Urteil hat Irland im Juni 2006 Nichtigkeitsklage gegen die Brüsseler Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung eingereicht. Die Iren gehen davon aus, dass es auch für die Direktive keine gültige rechtliche Basis gibt. Eine Entscheidung des Gerichtshofs in diesem Fall wird für nächstes Jahr erwartet.

Unter der Federführung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung haben im Januar 27 zivilgesellschaftliche Organisationen gegen die Umsetzungspläne des Bundesjustizministeriums zu der pauschalen Vorhaltung von "Daten über jede Nutzung von Telefon, Handy, E-Mail und Internet" mobil gemacht. Auch Branchenverbände und die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern haben schwere Bedenken gegen das neue Überwachungsvorhaben. Für den 14. April ist zudem in Frankfurt am Main eine Demo gegen Vorhaben wie die Vorratsdatenspeicherung oder die Aufzeichnung des Flugreiseverkehrs angesetzt.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die etwa beim Telefonieren im Fest- oder Mobilfunknetz und bei der Internet-Nutzung anfallen, siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (jk)