Bundestag uneins über weiteren Flugdatentransfer in die USA

Während die Opposition auf einen deutlich verbesserten Datenschutz bei der Übertragung von Flugpassagierdaten pocht, will die CDU die Vereinigten Staaten partnerschaftlich für einen neuen Vertrag gewinnen.

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Die Oppositionsfraktionen im Bundestag pochen gemeinsam auf einen deutlich verbesserten Datenschutz bei der heftig umstrittenen Weitergabe von Flugpassagierdaten an die USA. Vertreter der FDP, der Linken und der Grünen forderten die Bundesregierung am gestrigen Donnerstag auf, bei der Aushandlung eines neuen Abkommens zwischen der EU und den Vereinigten Staaten eine strikte Zweckbindung der Informationsübertragung genauso durchzusetzen wie möglichst kurze Speicherfristen. Zudem sollten die Passagiere nicht nur über die Sammlung und Vorhaltung der Daten unterrichtet werden, sondern sich zur Sicherung der rechtsstaatlichen Kontrolle auch an unabhängige Beschwerdeinstanzen wenden können. Ferner seien die bislang von den Fluggesellschaften freigegebenen 34 Datenmerkmale auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren.

"Mehrfach haben wir die Bundesregierung aufgefordert, mit den USA auf Augenhöhe zu verhandeln", monierte Ernst Burgbacher für die FDP bei der Beratung zweier Anträge von Liberalen und Grünen zum weiteren Vorgehen beim transatlantischen Abkommen zu den so genannten Passenger Name Records (PNR). Leider gebe es aber noch immer keine Anzeichen, dass bei neuen Gesprächen "die europäische Position endlich angemessen berücksichtigt wird". Vor Abschluss eines neuen Vertrags muss Burgbacher zufolge "eine umfassende Evaluation des bisherigen Abkommens erfolgen". Dabei sei etwa zu prüfen, welche der bislang nutzbaren Datensätze "tatsächlich auch dem Zweck der Terrorismusbekämpfung dienen".

Omid Nouripour von den Grünen betonte im Rahmen der zu Protokoll gegebenen Reden, dass die Fluggastdaten nicht für das von den US-Behörden betriebene Überwachungsprogramm Automated Targeting System (ATS) zur Risikobewertung von Einreisenden in die USA verwendet werden dürften. Er wies in diesem Zusammenhang auf die dreitägige Inhaftierung des deutschen Staatsbürgers Majid Shehadeh verweisen, der aller Wahrscheinlichkeit nach auf Grundlage des ATS als "Risikopassagier" eingestuft worden sei und am Flughafen in Las Vegas nicht einreisen durfte.

Für die Linkspartei beklagte Jan Korte, dass die Fluggastdaten in den Vereinigten Staaten mit anderen Datensätzen verknüpft und im Rahmen der als "Undertakings" bekannten Zusatzerklärung der USA sowie im Zusammenspiel mit dem ATS bis zu 40 Jahre aufbewahrt würden. Hier werde "in eklatantem Maße gegen Grundrechte verstoßen". Dass die abgefragten Angaben nicht nur Namen, Geburts- und Flugdaten, weitere Buchungen für Hotels oder Mietwagen sowie E-Mail-Adressen und Telefonnummern enthalten, sondern auch Kreditkarteninformationen und besondere Essenswünsche, gehe deutlich zu weit. Zudem sei ein Verbot der Weiterleitung der Informationen an US-Geheimdienste zu verlangen.

Peter Altmaier, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, warf der Opposition dagegen "abwegige Rechtsauffassungen und unzutreffende Schlussfolgerungen" vor. Ziel der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sei ein Abkommen, "das langfristig Rechtssicherheit schafft, einen angemessenen Datenschutz bietet und ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet." Dabei könne man die USA aber nur "partnerschaftlich" gewinnen. Die erste Verhandlungsrunde in Washington am 26. Februar habe bestätigt, dass die USA eigentlich überhaupt keine neue Vertragsgrundlage haben wollten und die Festschreibung verbindlicher, spezifischer datenschutzrechtliche Regelungen "extrem schwierig" würde.

Altmaier verwies ferner darauf, dass ein Teil der Fluggesellschaften die PNR-Daten inzwischen im Push-Verfahren gemäß dem Bestreben des Zwischenabkommens übermitteln würden. Dabei stellen die US-Behörden eine Anfrage an die Fluggesellschaften, woraufhin ihnen diese die persönlichen Informationen zur Verfügung stellen. Hiesigen Erkenntnissen zu­folge regeln laut dem CDU-Politiker derzeit circa 15 Airlines den Transfer in dieser Weise. Andere Fluggesellschaften sähen noch technische Fragen als klärungsbedürftig an. Es sei ein zen­trales Anliegen der EU, mit dem neuen Vertrag zu einer vollständigen Umstellung auf das Push-Verfahren zu kommen.

Als "völlig abwegig in Anbetracht der Bedrohungen durch den Terrorismus" bezeichnete Altmaier die Absicht der FDP, die Übermittlung von PNR-Daten generell zu unterbinden. Gleichzeitig äußerte er sich skeptisch über eine rasche Einigung auf einen Rahmenbeschluss zum Datenschutz im Sicherheitsbereich, bei dem die Bundesregierung in ihrer Funktion als Ratsspitze gerade einen neuen Anlauf macht und dabei entsprechend den Wünschen der USA den Datentransfer in Drittstaaten nicht reguliert wissen will. Die bisherigen Beratungen hätten Altmaier zufolge der "begründeten Sorge" Ausdruck verliehen, "dass Arbeitsabläufe, die seit Jahren in den Mitgliedstaaten praktiziert und bisher keinerlei Anlass zu Beanstandungen gegeben haben, durch gut gemeinte, aber unpassende Detailregelungen zum Datenschutz erschwert werden." Insgesamt habe sich die Bundesregierung in Bezug auf den Datenschutz keinerlei Versäumnisse vorzuwerfen, hielt der CDU-Politiker anders lautende Ermahnungen von Sachverständigen entgegen.

Wolfgang Gunkel von der SPD-Fraktion räumte ein, dass die Anträge der Opposition "sich mit einem sehr wichtigen Problem beschäftigen". Das bestehende Abkommen sei aus Datenschutzgesichtspunkten nicht positiv zu bewerten, da "schon die Ess­gewohnheiten eines einzelnen Passagiers die Fahnder aus den USA auf seine Fährte locken und ihn unter Terror­verdacht stellen" könnten. Die Bekämpfung des Terrorismus scheine in den USA seit dem 11. September 2001 "nahezu jeden Eingriff in die Bürgerrechte zu rechtfertigen". Ganz ohne Abkommen gäbe es aber auch keine rechtliche Verpflichtung der USA, gewisse Datenschutzstandards einzuhalten. Die Fluggesellschaften würden sich "ja geradezu verpflichtet fühlen, die Passagierdaten weiterzugeben, um nicht den Entzug der Landerechte zu riskieren." Letztlich bezeichnete Gunkel die Anträge als irrelevant. Der Bundesregierung werde es hoffentlich gelingen, ausreichende datenschutzrechtliche Standards vertraglich festzuschreiben. (Stefan Krempl) / (jo)