Bürgerrechtsorganisationen fordern "digitale Rechte" in der EU

EU-Direktiven für "Digitale Rechte" zum "Erhalt digitaler Inhalte" sollen für einen gerechteren Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen von Kreativen, Rechteverwertern und Nutzern sorgen.

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Von
  • Monika Ermert

Die europäischen Bürgerrechtsorganisationen European Digital Rights (EDRI) und Foundation for Information Policy Research (FIPR) sowie die Verenigung Open-source Nederland (VOSN) fordern EU-Direktiven für "digitale Rechte" und zum "Erhalt digitaler Inhalte". Im Rahmen einer Konsultation der EU-Kommission zum Rechtsrahmen im Bereich der Urheber- und verwandter Rechte mahnten sie, es sei höchste Zeit, für einen gerechteren Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen von Kreativen, Rechteverwertern und Nutzern zu sorgen. Gänzlich abzuschaffen ist aus Sicht der Nutzerorganisationen die Datenbankrichtlinie, mit der der urheberrechtliche Schutz von strukturierten Datensammlungen gewährleistet werden soll. Es gebe keinerlei Nachweis dafür, dass dies zu vermehrten Investitionen geführt hätte.

Die Stellungnahme der Organisationen ist eine von rund hundert, die im Rahmen der Konsultation bei der Kommission eingegangen sind. Sobald die letzten Nachzügler ihre Papiere abgeliefert haben, sollen sie veröffentlicht werden, heißt es in Brüssel. Ziel der Konsultation war es, die im Lauf der vergangenen zehn Jahre entstandenen sieben Direktiven im Bereich Urheberrecht auf mögliche Inkonsistenzen zu überprüfen. Als wahrscheinlichster Kandidat für Harmonisierungsmaßnahmen gilt, so heißt es in Brüssel, die Regelung länderübergreifender Rechtsansprüche im Bereich Musik und Film/Fernsehen. Unterschiedliche nationale Gesetzgebungen verhindern derzeit eine einheitliche Festlegung, nach welcher Regel Ansprüche aus Nachbarstaaten gewährt werden. Abgelehnt hat die Kommission dagegen unter anderem Forderungen von Seiten der Verwerter, die Fristen für einzelne Schutzrechte auf die Zeit von 95 Jahren auszudehnen. Die Musikindustrie hatte mit Blick auf die Fristen in den USA vor Wettbewerbsnachteilen gewarnt.

EDRI, FIPR und VOSN zeigten sich über diese Ablehnung erfreut. Tote Künstler ließen sich kaum zur Schaffung weiterer Werke motivieren, lautete der sarkastische Kommentar zu dem Vorschlag. Ansonsten gingen sie aber mit dem Hands-off-Ansatz der Kommission kritisch ins Gericht. Konflikte zwischen dem Urheberrecht einerseits und dem Wettbewerbsrecht, dem Datenschutzrecht und dem Arbeitsrecht seien derart gravierend, dass Anpassungen dringend notwendig seien.

In den vergangenen Jahren seien Allgemeinheit und Kreative über Gebühr durch neue Ansprüche belastet worden. So fordern die Organisationen die Einführung eines "Use-it-or-lose-it"-Prinzips für die Rechteverwertung. Ist ein kommerzielles Werk drei Jahre nicht mehr erhältlich, dann soll das Verwertungsrecht automatisch an den Autor zurückfallen. Nach fünf Jahren ohne Verwertung müsse es frei verfügbar werden. Damit soll verhindert werden, dass mehr und mehr Werke in den Archiven der Rechteverwerter verschwinden. Das Recht zur erneuten Verwertung dürfe dem Autor oder Musiker auch nicht vertraglich abgeluchst werden, betonen die Nutzerorganisationen.

Die zunehmende Aushebelung des Urheberrechts durch von den Unternehmen diktierte vertragliche Regelungen soll laut der EDRI/FIPR/VOSN-Stellungnahme durch eine "Abuse-it-and-lose-it"-Regel verhindert werden. Wer Nutzern oder Autoren gesetzlich verbriefte Rechte abnimmt, soll seine Ansprüche verlieren. Als Beispiel für einen solchen Missbrauch nennt die Stellungnahme die DVD-Regionalcodes. "Selbst wenn das Europäische Parlament sich damit abfindet, urheberrechtliche Regulierung an x-beliebige Software-Programmierer abzutreten, überschreitet es klar seine Kompetenzen, wenn es damit Programmierer aus Redmond ermächtigt, die Rom-Verträge zu brechen." Wo verfassungsmäßige Rechte durch DRM-Verfahren ausgehebelt würden, müsse der Schutzanspruch für DRM enden, fordern die drei Organisationen. (Monika Ermert) / (jk)