Bund-Länder-Bericht: Ausbautempo bei erneuerbaren Energien noch immer zu lahm

Laut der Analyse müssen vor allem für Windkraft an Land mehr Flächen ausgewiesen und Genehmigungen erteilt werden, um die Ausbau- und Klimaziele zu erreichen.

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(Bild: GLF Media/Shutterstock.com)

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Der Bund-Länder-Kooperationsausschuss zum Stand des Ausbaus der erneuerbaren Energien in Deutschland zeigt sich in seinem zweiten Jahresbericht besorgt: Im Gegensatz zur Solarkraft sind demnach bei der Nutzung der Windenergie an Land die im Erneuerbaren-Gesetz (EEG) festgelegten Ausbaumengen nicht erreicht worden. Fazit der Experten: "Daher besteht sowohl für die Planung und Ausweisung von Windenergiegebieten als auch für die Genehmigung von Anlagen in hohem Maße das Erfordernis, Hemmnisse abzubauen und Verfahren zu beschleunigen."

In Deutschland gebe es ein großes, noch nicht erschlossenes Potenzial an solarer Strahlungs- und Windenergie, heißt es in dem Bericht 2022, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) am Freitag veröffentlicht hat. Beim Ausbau der Erneuerbaren geht es demnach vor allem um Photovoltaikanlagen (PV) und Windenergieanlagen an Land.

Laut den jetzt vorgelegten Zahlen, die sich auf den Zubau von Anlagen zur Nutzung der Erneuerbaren für die Stromerzeugung im Jahr 2021 sowie auf Angaben der Länder zu aktuellen Entwicklungen des ersten Halbjahrs 2022 beziehen, ist noch deutlich Luft nach oben. Der 2021 erreichte Zubau ist bei Windenergie an Land mit 1,7 Gigawatt (GW) brutto neu installierter Anlagenleistung gegenüber dem Vorjahreswert zwar um rund ein Fünftel gestiegen, ist dem mit Anhängen rund 100 Seiten umfassenden Papier zu entnehmen. Bei PV seien 5,6 GW dazugekommen, etwa ein Sechstel mehr als 2020. Dies bleibe aber hinter den Erwartungen der Politik zurück.

Der Gesetzgeber habe mit der jüngsten größeren EEG-Reform den Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch deutlich von 65 Prozent auf 80 Prozent für 2030 erhöht, konstatiert der Ausschuss. Um diese Vorgaben zu erfüllen, müssten die 2021 verzeichneten Zubauten in den kommenden Jahren nahezu versechs- beziehungsweise vervierfacht werden, auf 10 GW bei Windenergie an Land und 22 GW bei PV.

Wie in den Vorjahren folgte der Zuwachs der Anlagen bei Wind und – etwas abgeschwächt– bei PV einem Nord-Süd-Gefälle. Etwa drei Viertel (knapp 1,3 GW) des erzeugungsrelevanten Nettozubaus bei Windenergie an Land ging auf das Konto der Flächenstaaten Niedersachsen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Für PV wurden fast die Hälfte (2,8 GW) des Zuwachses in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen verzeichnet.

Ein besonderes Augenmerk legte das Gremium dieses Jahr auf den Ausbau der Windenergie an Land, der für die Energiewende ein wesentlicher Erfolgsfaktor sei. Das Geschehen auf See spielt für den Ausschuss keine Rolle, da dafür der Bund größtenteils allein zuständig ist. Mit Blick auf die Flächenausweisung zeigt sich laut den Gutachtern "nach wie vor ein sehr heterogenes Bild innerhalb Deutschlands". Es bestehen demnach "erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern und zum Teil auch zwischen den einzelnen Planungsregionen innerhalb eines Bundeslandes". Dies gelte sowohl für die Planungspraxis als auch für den Umfang der bereitgestellten Flächen.

Im Vergleich zum Vorjahr habe sich die Datengrundlage in entscheidenden Bereichen deutlich verbessert, lobt der Ausschuss. Zum Stichtag Ende 2021 waren bundesweit demnach zwischen 2908 und 3270 Quadratkilometer Fläche rechtswirksam für Windkraft an Land ausgewiesen. Dies entspricht einem Anteil von 0,81 bis 0,91 Prozent an der Fläche der Bundesrepublik. Diese Kulisse liege leicht höher als im Vorjahresbericht.

Als ein Problem bei der Umsetzung machen die Autoren Rechtsunsicherheit aus. So seien auf Landes- und Regionalplanebene insgesamt 62.777 Hektar der ausgewiesenen Windenergieflächen der Regionalplanung beklagt gewesen. Das entspricht etwa einem Drittel des ausgewiesenen Flächenumfangs. In Hessen und Thüringen sei das gesamte ausgewiesene Gebiet beklagt. Diese Situation stelle ein erhebliches Risiko für potenzielle Projektentwickler dar, da in der Vergangenheit immer wieder Pläne für unwirksam erklärt worden und so Nacharbeiten nötig gewesen seien.

Erstmals untersuchte der Ausschuss den Stand der Flächenausweisungen in den Ländern im Vergleich zu ihren Zwischenzielen bis Ende 2027 nach dem Windenergieflächenbedarfsgesetz. Bundesweit ist demnach noch mehr als eine Verdopplung der aktuell ausgewiesenen Fläche notwendig, um die Etappenvorgabe in Höhe von 1,4 Prozent der Bundesfläche bis 2027 zu erreichen. Während einige Länder ihr Soll hier bereits erfüllt hätten, müsse der Großteil dafür noch deutlich mehr Flächen ausweisen.

Auch bei den erteilten Genehmigungen für Windkraft an Land ist das Bild sehr unterschiedlich: 2021 wurden insgesamt 4,5 GW an Windenergieleistung genehmigt, das sind rund 1,2 GW mehr als 2020. Über drei Viertel der Bewilligungen erfolgten im vorigen Jahr in Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Genehmigungsanträge für Windenergievorhaben mit einer Leistung von rund 2,2 GW wurden im Berichtszeitraum abgelehnt oder zurückgenommen. Ende 2021 befanden sich einschlägige Initiativen mit einer Leistung von 8,7 GW im Genehmigungsverfahren, deutlich weniger als noch zum Stichtag ein Jahr zuvor (10,5 GW).

Als Hemmnisse registrierten die Länder den Ergebnissen zufolge vorrangig die unzureichende Flächenverfügbarkeit, lange und komplexe Genehmigungsverfahren sowie Akzeptanzprobleme. Die durchschnittliche Verfahrensdauer von der Ersteinreichung eines Antrags bei der zuständigen Stelle bis zur Erteilung einer Erlaubnis liege bei mehr als zwei Jahren.

Das BMWK weist darauf hin, dass der in die Vergangenheit gerichtete Bericht die 2022 neu beschlossenen Gesetzesmaßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus noch nicht abbilden könne. Diese würden auch erst von 2023 an wirksam. Dazu zählten neben der EEG-Novelle etwa das Windflächenbedarfsgesetz mit verbindlichen Zielen sowie Änderungen am Baugesetzbuch durch das Wind-an-Land-Gesetz und das überarbeitete Bundesnaturschutzgesetz.

(tiw)