Bundesdatenschutzbeauftragter befürchtet Einknicken des Gesetzgebers vor der Werbelobby

Sollten die Gesetzesvorhaben zum Datenschutz bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr zum Abschluss gebracht werden, befürchtet Peter Schaar negative Auswirkungen "im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit demokratisch organisierter Politik".

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Von
  • Richard Sietmann

Die Vorlage seines turnusmäßigen Tätigkeitsberichtes nutzte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Peter Schaar, zu einem Appell an das Parlament, wenigstens die angesichts der zahlreichen Datenschutzskandale der letzten Monate auf den Weg gebrachten Gesetzgebungsvorhaben möglichst zügig zu einem Abschluß zu bringen. Sie sollen mehr Transparenz in die Tätigkeit von Auskunfteien und Beschränkungen des Handels mit personenbezogenen Daten bringen.

Sollte das bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr gelingen, befürchtet er negative Auswirkungen "im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit demokratisch organisierter Politik". Die Bürger erwarteten zu Recht, "dass es nicht bei Ankündigungen bleibt, sondern dass der Datenschutz tatsächlich verbessert wird". Das Gesetz zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften hatte die Bundesregierung Mitte Dezember auf den Weg gebracht. Doch inzwischen hätten sich "die Lobbyisten der Werbewirtschaft, des Adresshandels, aber auch die Profiteure des illegalen Datenhandels massiv eingeschaltet", erklärte Schaar in Berlin. Er befürchte nun, "dass der Gesetzentwurf scheitert".

Die seit mehr als einem Jahrzehnt verschleppte Runderneuerung des Datenschutzrechts könnten die jüngsten Initiativen ohnehin nicht ersetzen. So wichtig die angestrebten Verbesserungen im Detail seien, dürften sie "nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Modernisierung des Datenschutzrechts in seiner Struktur und und in seinen grundlegenden Regelungsmechanismen heute dringender ist denn je", mahnt der Bundesdatenschutzbeauftragte in seinem 22. Tätigkeitsbericht. Die Diskrepanz zwischen der Situation der siebziger Jahre, auf die das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) seinerzeit zugeschnitten wurde, und der rasanten Entwicklung der Informationstechnik werde immer größer.

Beim Eintritt in das Zeitalter des Ubiquitous Computing erwiesen sich hergebrachte Rechtsbegriffe wie "verantwortliche Stelle", "Auftragnehmer" oder "personenbezogene Daten" genauso diskussionsbedürftig wie die dem Datenschutzrecht zugrundeliegenden Prinzipien und Konzepte. Erfolgreiche Regelungsansätze wie die aus dem US-amerikanischem Raum stammende Verpflichtung zur Information über Datenschutzverstöße sollten aufgegriffen werden.

Zwar habe die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder Anfang 2008 die Notwendigkeit zur grundlegenden Revision des BDSG noch einmal bekräftigt, "dennoch sind auch im Berichtszeitraum keine wesentlichen Schritte in diese Richtung eingeleitet worden", zieht Schaar Bilanz. Zudem seien die Datenschutzaufsichtsbehörden gemessen an ihren stetig wachsenden Aufgaben "hoffnungslos unterbesetzt" und hätten kaum rechtliche Möglichkeiten, illegale Datenverarbeitungen zu unterbinden und festgestellte Verstöße wirksam zu sanktionieren.

Bei der Vorlage seines Tätigkeitsberichtes erneuerte Schaar seine Forderung, die zahlreichen Grundrechtseinschränkungen durch die Antiterror-Gesetzgebung der Vergangenheit einer unabhängigen Evaluierung zu unterziehen. Hinsichtlich der bevorstehenden Volkszählung 2011, die in einem neuen Verfahren erstmals aus einer Kombination von Registerzusammenführungen und Befragungen bestehen wird, zeigte sich Schaar "mit einer Ausnahme" zufrieden, nachdem er im Gesetzgebungsverfahren erreichen konnte, dass die adressscharfe Zuordnung der Zensusdaten mit Hilfe der im Anschriften- und Gebäuderegister enthaltenen kleinräumigen geografischen Koordinaten unterbleibt. Datenschutzrechtlich problematisch bleibe jedoch weiterhin die vorgesehene Datenerhebung in sogenannten "sensiblen Sonderbereichen" wie zum Beispiel in Krankenhäusern und in Haftanstalten, wo anders als bei der Volkszählung von 1987 die Daten personenbezogen erfasst werden sollen - und dies, "obwohl das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil empfohlen hatte, in Bereichen, in denen die Gefahr einer sozialen Abstempelung besteht, die Erhebung möglichst in anonymisierter Form durchzuführen".

Siehe dazu auch:

(Richard Sietmann) / (jk)