Messengerdienste: Bundesnetzagentur erwägt Zwang zur Interoperabilität

Der Austausch von WhatsApp, Signal & Co. könnte bald möglich werden. Die Aufsichtsbehörde schwankt zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Umsetzung.

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(Bild: Leonidas Santana/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Frank Schräer
Inhaltsverzeichnis

Die Bundesnetzagentur stellt in einem Diskussionspapier verschiedene technische und regulatorische Möglichkeiten zur Interoperabilität zwischen Messengerdiensten vor. Gleichzeitig wird aber auch die Nutzersicht betrachtet, denn einer Mehrheit der Messenger-Anwender ist es weniger wichtig, nur eine App für verschiedene Messengerdienste zu verwenden.

EU-weit dürften deutlich schärfere Wettbewerbsauflagen auf große Online-Plattformen wie Google, Apple, Facebook und Microsoft zukommen, wenn der Digital Markets Act im EU-Parlament festgezurrt wird. Durch den Digital Markets Act sollen auch interoperable Messenger kommen sowie News-Feeds sozialer Netzwerke kompatibel werden. So könnten dann Nachrichten etwa zwischen WhatsApp, Facebook Messenger, Telegram und Signal ausgetauscht werden; ebenfalls könnten Timelines auf Twitter auch mit Beiträgen etwa aus Instagram und Facebook bestückt werden.

Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg, wie das Diskussionspapier der Bundesnetzagentur darlegt. Grundsätzlich sollten die Auswirkungen und Voraussetzungen von Interoperabilität genauer geprüft werden. Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur können Interoperabilitätsverpflichtungen einerseits neue Wettbewerbsimpulse setzen. Andererseits können sich, je nach Ausgestaltung der Verpflichtungen, Herausforderungen beispielsweise im Bereich des Datenschutzes und der Datensicherheit ergeben.

Ziel einer Regulierung und Öffnung der bisher überwiegend geschlossenen Kommunikationsnetzwerke der verschiedenen Messengerdienste für andere Anbieter wäre laut Bundesnetzagentur, die Marktmacht dominanter Anbieter aufzubrechen und Abhängigkeiten zu reduzieren. So ist WhatsApp in Deutschland mit 93 Prozent Marktanteil der dominierende Messenger. Facebook Messenger und Instagram Direct Messages sind mit 39 beziehungsweise 25 Prozent deutlich weniger stark verbreitet, gehören aber ebenfalls zum Meta-Konzern (ehemals Facebook).

Basis: Nutzer Messengerdienste (Mehrfachnennungen möglich), n = 1.906. Die nicht abgebildeten Messengerdienste sind im Folgenden nach absteigenden Nutzungsanteilen aufgeführt: Google Messages (7 %), Threema (5 %), Cisco WebEx (4 %), Google Meet (2 %), Google Duo (2 %), Viber (1 %), WeChat (1 %) und Sonstige (1 %).

(Bild: Bundesnetzagentur)

Andere, teils für höhere Sicherheit und Datenschutz gepriesene Messenger wie Telegram und Signal erreichen nicht einmal 20 Prozent Marktanteil. Allerdings nutzen viele Mobilnutzer mehr als nur einen Messenger auf ihren Smartphones, das sogenannte Multihoming. Fast die Hälfte haben bereits drei oder mehr Messenger auf dem Handy, wobei dies altersabhängig ist. So verwenden 35 Prozent der Anwender ab 40 Jahren lediglich einen und 64 Prozent maximal zwei Messenger. Dagegen nutzen 37 Prozent der Deutschen unter 40 Jahren sogar fünf oder mehr Messengerdienste.

Nutzer Messengerdienste, n = 1.906, davon Jüngere (n = 659) und Ältere (n = 1.247).

(Bild: Bundesnetzagentur)

Und so zeigt eine Studie des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes dann auch, dass aus Nutzersicht kein eindeutiges Interesse an einer Interoperabilität zwischen Messengerdiensten besteht. Schließlich stehen die Messenger kostenfrei zur Verfügung. Stattdessen ist die Kontrolle über die eigenen Daten von großer Bedeutung. 58 Prozent der Anwender wollen demnach nicht, dass im Falle von Interoperabilität ihre Daten an einen anderen Diensteanbieter weitergegeben werden. Immerhin kann sich ein Drittel der Befragten vorstellen, bei einer Umsetzung von Interoperabilität den Hauptmessenger zu wechseln.

Eine Studie des wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste stellt ebenfalls fest, dass Verbraucher keinen Bedarf an einer vorgeschriebenen Interoperabilität von Messengerdiensten haben. Vielmehr setzten die Verbraucher bewusst auf die Nutzung verschiedener Dienste, um mit unterschiedlichen sozialen Gruppen innerhalb der persönlichen Netzwerke getrennt voneinander kommunizieren zu können.

Auch aus Sicht der Anbieter von Messengerdiensten gibt es wenig Interesse an der Interoperabilität oder einer gesetzlichen Interoperabilitätsverpflichtung. Von den 44 an der Befragung teilnehmenden Unternehmen befürworten nur drei Betreiber freier Messenger-Clients demnach eine solche Verpflichtung. Lediglich der Meta-Konzern plant seit einiger Zeit seine eigenen Dienste untereinander interoperabel auszugestalten und seine Chat-Dienste zu verknüpfen. Damit soll eine dienst-übergreifende Kommunikation zwischen WhatsApp, Facebook Messenger, Instagram und weiteren Anwendungen ermöglicht werden.

Kleinere Diensteanbieter sehen Interoperabilität jedoch kritisch und bezweifeln, dass es sich hierbei um das geeignete Instrument handelt, um dieser Marktmacht entgegenzutreten. So hat das Bundeskartellamt bei einer anderen Untersuchung kürzlich festgestellt, dass Anbieter von Messengerdiensten Interoperabilität nicht rundheraus ablehnen. Die Hälfte der befragten Unternehmen hat sich offen gegenüber freiwilligen Interoperabilitätsvorhaben gezeigt, wobei sich allerdings nur weniger als die Hälfte daran beteiligen würde.

Der überwiegende Teil der Befragten erwartet von einer Interoperabilitätsverpflichtung jedoch nachteilige Auswirkungen, insbesondere auf Innovation, Datensicherheit und Datenschutz. Allerdings hielten einige Anbieter die Probleme, die mit Interoperabilität einhergingen, für überwindbar. Schwierigkeiten bei Datenschutz und Datensicherheit könnten nach Einschätzung dieser Anbieter auf technischer Ebene behoben werden. Ein höheres Datenschutzniveau wird allerdings nicht erwartet.

Bei den Möglichkeiten der Interoperabilität nennt die Bundesnetzagentur drei technische Ansätze. Die Interoperabilität lasse sich über die Verwendung sogenannter Bridges herstellen, die als Art Übersetzungsfunktion dient und den dienst-übergreifenden Austausch ermöglicht. Solche Bridges werden von einzelnen Apps bereits verwendet, können allerdings einen Verstoß gegen Nutzungsbedingungen einzelner Messengerdienste darstellen.

(Bild: Bundesnetzagentur)

Eine weitere Methode zur Sicherstellung anbieterübergreifender Kommunikation ist die Bereitstellung und Nutzung von Programmierschnittstellen (APIs). Darüber würde vorgegeben, welche Funktionen eines Messengerdienstes erreichbar sind, in welchem Format Daten übermittelt werden und wer über diese Schnittstellen kommunizieren darf. Stellt ein Anbieter für einen Dienst eine Schnittstelle bereit, können Anbieter anderer Dienste über diese Schnittstelle Daten austauschen und somit anbieterübergreifend kommunizieren.

Als drittes Modell erwägt die Bundesnetzagentur eine vollständige Standardisierung, bei der sowohl die Übertragung, die einzelnen Funktionen und die dafür notwendigen Schnittstellen, als auch die Datenformate zum Austausch von Informationen standardisiert wären. Damit würde ein einheitliches Format entwickelt, das von unterschiedlichen Diensteanbietern genutzt und bereitgestellt werden kann, um untereinander kommunizieren zu können.

Letztere Methode entspricht der Standardisierung klassischer Kommunikationsdienste wie Telefonie und SMS. Im Bereich der Messengerdienste existieren aber auch Initiativen zur Entwicklung offener Standards wie Matrix oder XMPP. Offene Kommunikationsprotokolle sollen hierbei, ähnlich wie bei E-Mail, eine anbieterübergreifende Nutzung ermöglichen. Die Messenger-Architektur Matrix dient bereits als Grundgerüst für Messenger im Gesundheitswesen.

Insgesamt zeigt sich aus Sicht der Bundesnetzagentur, dass die Herstellung von Interoperabilität zwischen verschiedenen Messengerdiensten zur Ermöglichung anbieterübergreifender Kommunikation sich deutlich komplexer gestaltet als im Vergleich zu den klassischen und zuvor bereits vollständig standardisierten Telekommunikationsdiensten wie Telefonie und SMS. Deshalb sei auch mit einem erhöhten Regulierungsaufwand zu rechnen. Zudem werden Messengerdienste als internetbasierte Dienste prinzipiell weltweit angeboten. Deshalb müssten mögliche Maßnahmen zur Schaffung von Interoperabilität idealerweise auch international abgestimmt werden.

(fds)