Bundesrat drängt auf IP-Vorratsdatenspeicherung​

Der Bundesrat drängt auf die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung für IP-Adressen. Einen Monat sollen IP-Zuordnung und Ports gespeichert werden.​

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Serverraum mit Spezialeffekten

(Bild: Gorodenkoff / Shutterstock.com)

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Der Bundesrat hat heute eine Aufforderung an die Bundesregierung verabschiedet, mit der die Länderkammer Bundesregierung und Bundesrat zur Einführung einer einmonatigen Speicherpflicht für IP-Adressen-Zuordnungen bei den Internet-Service-Providern auffordert. Zusätzlich soll bei Anbietern, die eine IP mittels NAT über mehrere Endgeräte verteilen, die Portnummer und deren Zuordnung zu einem Teilnehmer mitgespeichert werden müssen.

Die Ländervertreter erhoffen sich davon bessere Ermittlungserfolge für die Strafverfolgungsbehörden, insbesondere bei Sachverhalten rund um den sexuellen Missbrauch von Kindern. "Ohne Mindestspeicherung von IP-Adressen hängt in diesen Fällen die Aufklärung der Straftat von dem Zufall ab, welchen Internetzugangsdienst der unbekannte Täter genutzt hat und ob dieser Internetzugangsdienst freiwillig die Zuordnung dieser IP-Adresse zu einer Benutzerkennung gespeichert hat", heißt es in dem Gesetzentwurf der Länder. Derzeit ist die Speicherung der Internet-Service-Provider bei IP-Adressen höchst unterschiedlich lang – zwischen gar nicht und mehreren Wochen. Zugleich sollen die derzeit ebenfalls nicht angewandten Speicherpflichten zu Standortdaten im Telekommunikationsgesetz gestrichen werden.

Den Antrag hatte Hessen im April eingebracht. Dessen Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sagte am Vormittag im Plenum des Bundesrates: Seit September 2022 seien 38.000 Verfahren gegen Straftäter nicht weiterverfolgt worden, weil es keine IP-Adressen-Speicherung gegeben habe. Das dürfe angesichts dessen, was der Europäische Gerichtshof für zulässig erklärt habe, ein untragbarer Zustand: "Kinderschänder haben kein Recht auf Datenschutz." Die entsetzlichen Taten seien ein Massenphänomen, sagte Rhein unter Bezug auf die Ermittlungen gegen die Plattform Elysium mit insgesamt 111.000 Nutzern. Es sei reiner Zufall gewesen, dass Elysium durch einen der speichernden Provider abgeschaltet werden konnte.

"Es gibt keine Alternative zu einer gesetzlich verankerten Mindestspeicherung von IP-Adressen", so Rhein. "Das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren ist nicht der kleinste gemeinsame Nenner, sondern ein Etikettenschwindel. Was nicht gespeichert wird, kann auch nicht eingefroren werden." Das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum und Datenschutz kein Täterschutz sein, so Rhein.

Der sächsische Innenminister Armin Schuster, ebenfalls CDU, betonte, dass die Mindestspeicherfristen auch zur Terrorismusbekämpfung nötig seien. Es gehe um Fähigkeitslücken der Ermittler aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen. Der geplante Anschlag in Castrop-Rauxel 2023 sei nur mit großem Glück verhindert worden: Weil die IP-Adresse des Verdächtigen binnen weniger als sieben Tagen an das BKA durch US-Behörden übermittelt worden sei. Es ginge um ein qualitativ neues Niveau. Er kämpfe bereits seit 15 Jahren für die Vorratsdatenspeicherung, so Armin Schuster, und er würde sich sehr freuen, wenn dieser Bundesratsvorschlag noch in das derzeit intensiv diskutierte Sicherheitspaket der Bundesregierung integriert würde – ansonsten sei dieses nämlich keines.

In dem Antrag verbirgt sich zudem eine weitere Änderung: Statt "öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste" wie bislang wollen die Länder nun "öffentlich zugängliche Internetzugangsdienste für Endnutzer" verpflichten. Zudem wollen die Länder die von Ermittlungsbehörden an Provider für die Beauskunftung zu zahlenden Entgelte nach dem Justizentschädigungsgesetz streichen, wenn dafür auf Verkehrsdaten aus der Vorratsdatenspeicherung zurückgegriffen werden muss. Eine Erwiderung auf die vorgetragenen Punkte fand im Plenum des Bundesrates nicht statt. Die Länderkammer nahm die Initiative mit Mehrheit an und wird der Bundesregierung und dem Bundestag offiziell zugeleitet.

Eine Sprecherin des von Marco Buschmann (FDP) geführten Bundesjustizministeriums sagte auf Anfrage von heise online, dass es keinerlei Anlass sieht, von der bisherigen Position der Ablehnung einer Vorratsdatenspeicherung abzurücken: "Insbesondere besteht auch kein Anlass, die Absage an die Vorratsdatenspeicherung in Frage zu stellen." Eine anlasslose massenhafte Speicherung von IP-Adressen wäre ein tiefgreifender Grundrechtseingriff und daher mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden. "Ihr praktischer Mehrwert gegenüber dem Quick-Freeze-Verfahren ist nicht erwiesen, sie liefe der eindeutigen Vereinbarung im Koalitionsvertrag zuwider und es gibt für sie innerhalb der Bundesregierung keine politische Mehrheit", so die Sprecherin des Bundesjustizministeriums. Die Bundesregierung werde sich im üblichen Verfahren zum Bundesratsvorschlag verhalten. Das heißt, die Bundesratsinitiative hat keine Chance.

(mack)