Bundesregierung: Kein Korrekturbedarf beim transatlantischen Datenschutz

Die Bundesregierung will keine Schlussfolgerungen aus kritischen Studien zum Safe-Harbor-Abkommen mit den USA ziehen, das personenbezogene Daten von EU-Bürgern bei US-Firmen unter einen besonderen, die europäischen Standards gewährleistenden Schutz stellen soll.

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Berlin will keine Schlussfolgerungen aus kritischen Studien zum "Safe Harbor"-Abkommen mit den USA ziehen, das personenbezogene Daten von EU-Bürgern bei US-Firmen unter einen besonderen, die europäischen Standards gewährleistenden Schutz stellen soll. Dies geht aus der jetzt veröffentlichten Antwort (PDF-Datei) der Bundesregierung auf eine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion hervor. Gutachten des US-Beratungsunternehmens Galexia oder des australischen Datenschutzexperten Chris Connolly sowie Empfehlungen des "Düsseldorfer Kreises" hiesiger Aufsichtsbehörden, die laut Experten große Vollzugsdefizite bei der Umsetzung der transatlantischen Vereinbarung aufzeigen, seien nicht an die Bundesregierung gerichtet, heißt es zur Begründung im federführenden Innenministerium. Auf Nachbesserungen des Abkommens drängt Berlin so derzeit nicht.

Hütern der Privatsphäre zufolge ist aus der Verabredung eines "sicheren Hafens" zwischen Brüssel und Washington ein Freibrief für Datenschutz-Sünder in den USA geworden. Zugesicherte Grundsätze würden in der Regel nicht eingehalten. Empfehlungen entsprechender Untersuchungen sieht die Bundesregierung aber nur an die EU und die Vereinigten Staaten gerichtet. Deutsche Nutzer seien zudem selbst dafür verantwortlich, wenn sie Online-Anbietern in den USA Daten überließen. Es sei ihre freie Entscheidung, ob sie etwa bei Betreibern sozialer Netzwerke mit Sitz jenseits des Atlantiks ein Profil anlegten, welche Daten sie dafür verwendeten oder ob sie es wieder löschten.

Auch die anlaufende Debatte über den Abschluss eines allgemeinen Datenschutz-Abkommens mit den USA will das Innenministerium nicht mit Forderungen "belastet" wissen, die den Anwendungsbereich der Datenschutzrichtlinie von 1995 und das daran anknüpfende, am 1. November seinen zehnten Jahrestag feiernde "Safe Harbor"-Regime betreffen. Es sei bereits absehbar, dass eine Einbeziehung personenbezogener Informationen, die unter dem entsprechenden Mantel in die USA transferiert wurden und dort dem Zugriff nationaler Behörden ausgesetzt seien, "völkerrechtliche Fragen der territorialen Souveränität aufwerfen würde". Diese könnten einer erfolgreichen Einigung im Weg stehen.

Die zuständige Berichterstatterin der SPD-Fraktion im Verbraucherausschuss, Waltraud Wolff, und ihr Kollege im Innenausschuss, Gerold Reichenbach, kritisieren die Haltung der Bundesregierung scharf und warfen ihr "Ahnungs- und Willenlosigkeit" vor. Sie zitiere in ihrer Stellungnahme allein "Presseerklärungen und Rechtsakte der EU" und zeige sich so außerstande, selbst zu beurteilen, ob die Grundsätze den Schutz von Verbraucherdaten bei Facebook, Google und Co. gewährleisten könnten. Die Sozialdemokraten forderten zugleich insbesondere Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner erneut auf, die Überarbeitung der "Safe Harbor"-Bestimmungen anzustoßen. Anstatt "hilflos ihr eigenes Facebook-Profil zu löschen", sollte die CSU-Politikerin "den Datenschutz endlich auf die transatlantische Tagesordnung setzen".

Auch Konstantin von Notz, innenpolitischer Sprecher der Grünen, moniert, dass die Bundesregierung offenbar "völlig unvorbereitet in die anstehende Reform des EU-Datenschutzrechts einsteigt". Das "Safe Harbor"-Abkommen sei derzeit "nicht mehr als ein organisiertes Datenleck". Die Einhaltung werde nur mangelhaft überprüft, Zuwiderhandlungen blieben folgenlos. Schwarz-Gelb müsse hier dringend neue, durchsetzungsfähige Regelungen vorantreiben und dürfe sich nicht "aus der Verantwortung stehlen". Es sei nötig, einen effektiven Schutz der Bürger vor einem Ausverkauf ihrer Daten sicherzustellen. (jo)