Bundestag sorgt sich um Vielfalt im Suchmaschinenmarkt

Das Parlament hat sich erstmals mit Fragen der Monopolisierung und Zensur bei Google und Co. beschäftigt und die Förderung freier Suchmaschinen ins Auge gefasst.

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Das Parlament macht sich Gedanken über Monopolisierung, Qualitätssicherung sowie Zensur bei Google und Co. und erwägt die Förderung freier Suchmaschinen. Im Bundestag beschäftigten sich am gestrigen Donnerstag erstmals Fachpolitiker gemeinsam im Unterausschuss Neue Medien mit den Navigationshilfen durch die Informationswelt des Internet. Die aktuelle Situation im Suchmaschinenmarkt wurde dabei als unbefriedigend gekennzeichnet. "Suchmaschinen spielen eine zentrale Rolle in der Informationsgesellschaft", führte der ehemalige Leiter des regionalen Rechenzentrums für Niedersachsen der Universität Hannover, Helmut Pralle, aus. Ohne sie wäre der Zugang zum digitalen Weltwissen kaum möglich. Keine Suchmaschine erschließe diese Ressourcen bisher aber "auch nur annähernd vollständig", kritisierte der emeritierte Professor. Ergebnisse würden bewusst durch getarnte Werbeeinträge verschlechtert. Zudem sei ein unerfreulicher Konzentrationsprozess hin zu den Anbietern Google, Yahoo und Microsoft zu beobachten.

Um die Monopolbildung mit ihren unangenehmen Effekten wie erweiterten Möglichkeiten zur Zensur von Trefferlisten oder zur Auswertung der anfallenden und gesammelten Nutzerdaten zu verhindern, sieht Pralle hauptsächlich zwei Alternativen. So käme die Einrichtung einer zentralen "öffentlich-rechtlichen" Suchmaschine in Frage. Dabei sei die Unabhängigkeit aber wiederum nur schwer, höchstens durch Beiräte und Kontrollgremien zu überwachen. Zudem entstehe ein hoher Finanzierungsbedarf.

Sinnvoller erscheint dem Wissenschaftler die Förderung freier Suchmaschinen, wie sie jüngst etwa auf der Wizards of OS 3 in Berlin vorgestellt wurden. Die über diesen Ansatz aufzubauende dezentrale Struktur von verteilten und vernetzten, kooperativ arbeitenden Suchmaschinen im "öffentlich-rechtlichen" Bereich entspreche weitgehend den Selbstorganisationsmechanismen des Internet. So könne eine hohe Unabhängigkeit garantiert werden. Auch die Kosten eines solchen Projektes, die Pralle angesichts erforderlicher redaktioneller Arbeiten für den Aufbau eines verteilten freien Suchmaschinenprojekts auf rund eine Million Euro pro Einpflegung von einer Milliarde Websites schätzt, könnten auf mehrere Schultern verteilt werden.

Vor allem die Grünen wollen nun entsprechende Schritte zur Unterstützung freier Suchmaschinen einleiten. Der medienpolitischen Sprecherin der Fraktion, Grietje Bettin, geht es dabei unter anderem darum, der fortschreitenden Manipulation von Suchergebnissen durch den Marktführer Google entgegenzuwirken. "Die Zensur wird zunehmend problematisch", erklärte die Politikerin gegenüber heise online. Die Ergebnisse von Google seien nicht mehr rein technologiebasiert; so habe die kalifornische Firma beispielsweise auf ihrer deutschen Site wiederholt amerikanische Angebote mit Nazipropaganda aus den Trefferquoten herausgefiltert. Anfragen von deutschen Rechnern auf Google.com würden wiederum automatisch zu Google.de umgeleitet. Tatsächlich hat sich der kurz vor dem Börsengang stehende Primus mittlerweile auch dem Druck aus dem Umfeld der Bertelsmann Stiftung gebeugt und sortiert nun -- trotz zuvor geäußerter starker Bedenken -- revisionistische Websites hierzulande bei der Eingabe von Suchbegriffen wie "Auschwitz" oder "Holocaust" aus.

Angesichts der auftretenden Fragen zur Sicherung der Informationsfreiheit, für die das Vorgehen Googles nur ein allgemeines Beispiel darstelle, will sich Bettin auf die Suche nach Mitteln für Alternativprojekte machen. Angesichts der herrschenden Mittelknappheit könne die Entwicklung einer dezentralen freien Suchmaschine zunächst eventuell über das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Bundestag (TAB) finanziell unterstützt werden, erklärte die Grüne. Denkbar sei zudem, die verteilte Suchstruktur mit Hilfe der rund 400 ans Deutsche Forschungsnetz (DFN) angeschlossenen Institutionen in Angriff zu nehmen. Eine konkrete Machbarkeitsstudie, wie sie Pralle fordert, wollte der Unterausschuss allerdings noch nicht in Auftrag geben. (Stefan Krempl) / (jk)