Bundesverfassungsgericht macht Weg frei fürs EU-Einheitspatent​

Die Karlsruher Richter haben zwei Eilanträge gegen das Gesetz für das EU-Patentgericht zurückgewiesen, das als Schlussstein der Reform des Patentsystems gilt.

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(Bild: Feng Yu/Shutterstock.com)

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Der Ratifizierung des umstrittenen Übereinkommens über ein einheitliches europäische Patentgericht (EPGÜ) steht keine große rechtliche Hürde mehr im Weg. Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das im Dezember vom Bundestag beschlossene Gesetz abgelehnt. Das Gesetz soll das seit vielen Jahren geplante EU-Einheitspatent und das damit verknüpfte harmonisierte Patentgericht in nationales Recht umsetzten.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts begründete den Schritt in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss vom 23. Juni (Az.: 2 BvR 2216/20, 2 BvR 2217/20) damit, dass die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache unzulässig seien. Die Beschwerdeführer hätten nicht hinreichend dargelegt, ob und wie das Gesetz ihre Grundrechte einschränkt.

Das Abkommen über ein einheitliches Patentgericht gilt als Schlussstein der Reform des europäischen Patentsystems. Damit soll eine internationale Organisation mit Sitz in Luxemburg geschaffen werden, die aus einem Gericht erster Instanz, einem Berufungsgremium und einer Kanzlei besteht. Eine Zentralkammer kommt nach München.

Ein Teil der Rechtsprechung soll laut dem EPGÜ-Text, der schon einige Jahre auf dem Buckel hat, in London erfolgen. Dies sorgt bei vielen Beobachtern für Stirnrunzeln, da sich Großbritannien mit dem Brexit aus dem gesamten System für das Einheitspatent zurückgezogen hat. EU-Abkommen stehen eigentlich nur Mitgliedsstaaten offen.

Da sich das deutsche Ratifzierungsgesetz damit nicht beschäftigt, hielten Juristen das Patentgericht nach wie vor für angreifbar. Das Bundesjustizministerium geht dagegen davon aus, dass der unerwartete, nicht vorhersehbare Rückzug Großbritanniens ein Inkrafttreten des gesamten Systems nicht verhindert. Es ist nur noch die Ratifikation durch die Bundesrepublik erforderlich.

Einer der Eilanträge des Düsseldorfer Patentanwalts Ingve Stjerna zielte darauf ab, die Unterzeichnung des EPGÜ zu untersagen, bis über das noch anhängige Verfassungsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache entschieden wurde. Auch der zweite Antrag ging in diese Richtung. Die Beschwerdeführer hätten "im Wesentlichen eine Verletzung ihres Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung" gerügt, teilt das Bundesverfassungsgericht mit.

Die Kläger hätten hingegen nicht näher dargelegt, inwieweit die organisatorische Ausgestaltung des einheitlichen Patentgerichts und die Rechtsstellung seiner Richter das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip verletzen und so das Demokratieprinzip berührt wird. Ein Transfer von Hoheitsrechten auf EU-Einrichtungen dürfe zwar nicht dazu führen, dass die Identität des Grundgesetzes berührt werde. Eine solche "Identitätsrüge" sei aber an strikte Voraussetzungen wie etwa einen Angriff auf die Menschenwürde gebunden.

Die Beschwerde habe sich aber darauf beschränkt, dass wegen der Ernennung der Richter des Patentgerichts auf sechs Jahre, einer möglichen Wiederbestellung und der nicht ausreichenden Anfechtbarkeit einer Amtsenthebung gegen Kernbestandteile des Grundgesetzes verstoßen werde. Es sei nicht deutlich geworden, wo es dabei um das Demokratieprinzip gehen könnte. Die Karlsruher Richter halten es auch für vertretbar, dass mit dem EPGÜ dem EU-Recht in begrenztem Maß "ein Anwendungsvorrang vor nationalem Recht" eingeräumt wird. Dieser reiche nur so weit, wie das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz erlaubten.

Zuvor hatte der Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII) auf gravierende Probleme hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit hingewiesen. So sei es etwa nicht möglich, das Europäische Patentamt vor dem neuen Patentgericht zu verklagen. Deutschland verstoße mit der Ratifizierung gegen drei andere internationale Abkommen. Darüber hinaus gibt es Bedenken, dass durch die vereinheitlichte Rechtsprechung die umstrittenen Softwarepatente leichter durchsetzbar werden.

Bei der ersten Abstimmung im Bundestag war das EPGÜ-Ratifizierungsgesetzes noch gescheitert. Damals waren nur 38 von über 630 gewählten Abgeordneten anwesend, sodass die erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht zustande kam. Aufgrund dieses Formfehlers hatte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz im März 2020 für nichtig erklärt. Mit inhaltlichen Einwänden hatten sich die Richter damals nicht auseinandergesetzt.

Dass die Verfassungsrichter in der Hauptverhandlung des zweiten Falls noch einmal das Ruder umlegen, ist jedoch nicht mehr zu erwarten. Das Ratifizierungsverfahren kann erst einmal abgeschlossen werden. "Auch die Hauptsachen dürften nach dem heutigen Beschluss keinen Erfolg haben", meint Beschwerdeführer Stjerna gegenüber heise online. "Mit Abschluss der Ratifikation, der nun in Kürze zu erwarten sein dürfte, tritt eine völkerrechtliche Bindungswirkung ein, die nicht ohne Weiteres wieder zu beseitigen ist."

(vbr)