Cäsium-Atomuhr ist 50 geworden

Vor fünfzig Jahren nahm die erste Cäsium-Atomuhr ihren Betrieb im britischen National Physical Laboratory auf.

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Von
  • Oliver Lau

Vor fünfzig Jahren nahm die erste Cäsium-Atomuhr ihren Betrieb im britischen National Physical Laboratory (NPL) auf. Entwickelt hatte sie seinerzeit der englische Physiker Louis Essen. Cäsium-Atomuhren haben eine Ganggenauigkeit von bis zu einem Zehntel einer Milliardsten Sekunde und erfüllen damit die hohen Anforderungen an exakte Zeitmessungen, wie sie etwa bei physikalischen Experimenten oder der Positionsbestimmung per GPS (Global Positioning System) erforderlich sind.

Es könnte so einfach sein: "Zeit ist das, was man auf der Uhr abliest", lautet Albert Einsteins eingängige Definition, dessen 50. Todestag in diesem Jahr an die Bedeutung der Zeit im Alltag erinnert. So einfach ist es aber nicht, denn Zeit lässt sich nicht nur objektiv messen, sondern auch subjektiv erleben. Sie gibt Orientierung im gesellschaftlichen Miteinander. Ohne Zeit gäbe es keine Werk-, Sonn- und Feiertage. Ohne Zeit ließen sich Tag und Nacht nur durch Hell und Dunkel unterscheiden. Warum ein achtstündiger Arbeitstag mal als unendlich lang empfunden wird und mal wie im Fluge zu vergehen scheint, hängen von Umfang und Art der Arbeit ab. Ist sie langweilig, schleppt sich die Zeit nur so dahin, ist sie spannend und herausfordernd, läutet unversehens die Feierabendglocke, noch bevor man daran gedacht hat.

Zeit im objektiven Sinne hingegen ist messbar. Sie dient als Maß für die Dauer eines Geschehens und der Bestimmung von Beginn und Ende eines Ablaufs. In der Physik ist die objektive Zeit eine der grundlegenden Größen, über die sich neben der Dauer von Vorgängen auch die Reihenfolge von Ereignissen angeben lassen. Ob subjektiv oder objektiv, Zeit ist etwas Naturgegebenes. Davon zeugt, dass wiederkehrende Abläufe in der Natur seit jeher als Maßstab für die Zeit herhalten mussten: Tag und Nacht etwa, Ebbe und Flut oder die Jahreszeiten.

Noch bis Ende der Sechzigerjahre beschrieb man die Sekunde als 86.400sten Teil eines mittleren solaren Tages. Ein solarer Tag ist verstrichen, wenn die Sonne sich vom einem höchsten Stand am Himmel zum nächsten bewegt hat. Oder anders ausgedrückt: wenn die Erde sich einmal um die eigene Achse gedreht hat -- was der Erdbewohner als den Tag wahrnimmt. Allerdings rotiert die Erde alles andere als gleichmäßig, bedingt durch die Gravitationskräfte, die die Sonne, der Mond und die anderen Planeten ausüben. Das macht den solaren Tag als Maßeinheit unbrauchbar. Mehr Genauigkeit bei der Zeitmessung verspricht das so genannte tropische Jahr, das die elfte Conférence générale des poids et mesures (CGPM) im Jahr 1960 von der International Astronomical Union (IAU) als neues Zeitmaß übernahm. Es beschreibt die Dauer von einer Frühlings-Tag-Nacht-Gleiche zur nächsten. Dieser Tag fällt auf den 20. oder 21. März, wenn die Sonne auf dem Weg von Süden nach Norden auf ihrer Ekliptik den Himmelsäquator durchschreitet. Wenn auch genauer als der solare Tag, ist das tropische Jahr immer noch zu ungenau, um feinstauflösende Zeitmessungen durchzuführen.

Die CGPM als Hüterin über das internationale Einheitensystem (Système International d'Unités, SI) hat daher in ihrer von 1967 bis 1968 dauernden 13. Sitzung festgelegt, dass eine Sekunde 9.192.631.770 Schwingungsperioden der Strahlung des Cäsium-133-Atoms dauert. Genauer gesagt, ist die Sekunde das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung -- im Jahre 1997 ergänzt durch die Feststellung, dass sich das Cäsium-Atom bei 0 Kelvin in Ruhe befinden muss.

In Deutschland hütet die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) die Uhrzeit. Die PTB-Zeit ist derart genau, dass sie zu 80 Prozent in die Weltzeit UTC (Universal Time Coordinated) einfließt. Funkuhren für den Nachttisch oder das Handgelenk etwa empfangen das PTB-Zeitsignal über den Langwellensender DCF77 von der Sendestation Mainflingen bei Frankfurt. Auch an den Computer-Anwender hat man bei der PTB gedacht: Seit fünf Jahren stellen die Braunschweiger ihr Zeitsignal über zwei öffentlich zugängliche Zeitserver (ptbtime1.ptb.de und ptbtime2.ptb.de) zur Verfügung.

Uhren mit noch höherer Ganggenauigkeit als Cäsium-Atomuhren befinden sich in Entwicklung, etwa in der Abteilung "Zeit" der US-Standardisierungsbehörde NIST (National Institute of Standards and Technology), wo Wissenschaftler bereits im Jahr 2001 eine Quecksilber-Ionen-Uhr errichtet haben, die um den Faktor 20 bis 100 präzisere Zeitmessungen erlauben soll. Dort hat man sich übrigens auch Gedanken um die Größe der Atomuhr gemacht, die es bislang nicht erlaubte, sie in Alltagsgegenständen unterzubringen. Nur 9,5 Kubikmillimeter beanspruchen die Kernkompomenten einer Mini-Atomuhr, die weniger als 75 Milliwatt Leistung aufnimmt und in 300 Jahren nur um eine Sekunde falsch geht. (ola)