Chatkontrolle & Kutcher: Bürgerbeauftragte rügt Geheimniskrämerei

Bei der Messenger-Überwachung und den Beziehungen zu der US-Organisation Thorn will sich die EU-Kommission trotz Mahnung nicht in die Karten schauen lassen.​

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Verschwommene Hände an Tastatur

(Bild: Black Salmon/Shutterstock.com)

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Die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O'Reilly bedauert "zutiefst" die Weigerung der EU-Kommission, entsprechend ihrer Empfehlung vier Dokumente im Zusammenhang mit der Ausarbeitung von Gesetzesvorschlägen zur Chatkontrolle öffentlich zu machen. Dabei geht es um Treffen der Kommission mit Thorn, einer laut O'Reilly "selbsternannten" Nichtregierungsorganisation, die "Instrumente zur Aufdeckung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch im Internet entwickelt und verkauft hat".

Die von Hollywood-Star Ashton Kutcher mitgegründete Einrichtung Thorn gilt als treibende Lobbykraft hinter dem umkämpften Entwurf der EU-Kommission für eine Verordnung zur Online-Überwachung unter dem Aufhänger des Kampfs gegen sexuellen Kindesmissbrauch.

O'Reilly hält es nach wie vor für erforderlich, dass die Kommission die Dokumente offenlegen müsste. Eine entsprechende Transparenz wäre der Irin zufolge entscheidend, "damit die Öffentlichkeit prüfen könnte, wie die Beiträge der Interessenträger ihren Gesetzesvorschlag beeinflusst haben". Nur mit der Herausgabe der Papiere wäre öffentlich überprüfbar geworden, ob die Kommission unabhängig und im öffentlichen Interesse gehandelt habe. O'Reilly kritisiert die Auffassung der Kommission, dass kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Offenlegung bestehe.

Die EU-Kommission berief sich in ihrem ablehnenden Bescheid auf die Informationsfreiheitsanfrage darauf, dass Thorn ihr lediglich Fachwissen zur Verfügung gestellt und nicht versucht habe, auf die Gesetzesinitiative Einfluss zu nehmen. Das stimme nicht, hebt O'Reilly hervor: Laut den eigenen Dokumenten der Komission sei auch die Geschäftsstrategie für den Einsatz von Thorn-Produkten wie dem Filter "Safer" Thema gewesen. Das Programm ist darauf ausgelegt, auf Basis von Microsofts PhotoDNA Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs durch einen Abgleich mit Hash-Werten von Bildern und Videos in Datenbanken bekannter Aufnahmen zu erkennen.

Zudem kritisiert O'Reilly, dass die Kommission sich mit ihrem Nein auf den Schutz kommerzieller Interessen berufe. Große Teile der begehrten Informationen seien "allgemeiner Natur" oder von Thorn selbst bereits veröffentlicht worden. Auch nationale Behörden hätten die Dokumente nach ihren eigenen Vorschriften über die Informationsfreiheit bereits teilweise offengelegt. Die Auffassung der Kommission sei daher rätselhaft. O'Reilly könnte nun noch einen Sonderbericht erstellen und dem EU-Parlament vorlegen, um den Streit zu eskalieren.

Die Abgeordneten einigten sich voriges Jahr auf umfassende Korrekturen am ursprünglichen Entwurf zur Chatkontrolle. Die EU-Staaten konnten sich trotz wiederholter Anläufe auch der belgischen Ratspräsidentschaft während des vergangenen Halbjahres noch nicht auf eine gemeinsame Linie einigen.

(mack)