Chip-Knappheit: Hunderte Geschädigte durch Fake-Distributoren
Die Chip-Knappheit ruft zunehmend finstere Gestalten auf den Plan: Wer Bauteile in Asien bestellt, wird durch Vorschussbetrug oft Opfer eines Fake-Shops.
- Carsten Meyer
Es klang zu schön, um wahr zu sein: Nachdem er sämtliche bekannten Großhändler und Distributoren erfolglos abgeklappert hatte, fand Christian P. endlich einen Händler, der die begehrten Xilinx- und Atmel-Chips auf Lager hatte – und das noch in größeren Mengen und sogar unter den ehemaligen Listenpreisen der Hersteller.
Die Webseite components-store.com machte den professionellen Eindruck eines großen Distributors, unterstrichen durch News aus der Branche, PDF-Datenblätter zu jedem Bauteil, gut funktionierende Such- und Filterfunktionen und eine umfangreiche Linecard. Eine direkte Bestellung auf der Website war zwar nicht möglich, man konnte aber fix eine Anfrage (RFQ, Request for Quotation) für die benötigten Teile stellen. Im Unterschied zu den meist unverschämt teuren Chip-Brokern waren Preise und Lagerbestand direkt angegeben – also los!
Der Händler antwortete umgehend und äußerst freundlich: Ja, die Teile seien auf Lager und sofort lieferbar, eine Proforma-Rechnung ist beigefügt. Eine Nachfrage, ob eine Zahlung per Paypal oder Kreditkarte möglich sei, verneinte die Kontaktperson Ben Yeung: Leider wären derzeit nur Banküberweisungen möglich, aber dafür sei der Versand per DHL kostenlos.
Christian P. wurde misstrauisch, als die angebenene Beneficiary Address (Geldempfänger) nicht mit der eigentlichen Firma in Zusammenhang zu stehen schien. Tatsächlich brachte eine Internet-Recheche dann Erschreckendes zutage: 70 Geschädigte hatten bereits beim Shop-Bewertungsdienst Trustpilot negative Bewertungen abgegeben, weil sie nach Zahlung von zum Teil vier- und fünfstelligen Beträgen nie wieder etwas vom Lieferanten hörten – außer gelegentlich, dass die Sendung durch "schlechtes Wetter" beschädigt worden sei und nochmal verschickt würde, der Kunde möge sich noch etwas gedulden.
Dem Rating-Unternehmen ERAI nach existieren neben dem angegebenen Betrugs-Shop noch etliche weitere mit gleicher oder ähnlicher Aufmachung, die sich die derzeitige Chip-Krise zu Nutze machen und durch bezahlte Werbung in den Google-Suchergebnissen recht weit oben landen. Misstrauen ist also immer angesagt, wenn:
- keine Bezahlmöglichkeiten über PayPal oder Kreditkarte angeboten werden; damit hätte der Geschädigte eine gewisse Chance, sein Geld zurückzuerhalten
- eine Google-Bildersuche vom Firmengebäude Überraschendes zu Tage fördert oder die Firmenadresse suspekt erscheint, zum Beispiel ein Büro über einer Kneipe (siehe Bild) anstelle eines Industriegebiets
- der Geldempfänger in keinem Zusammenhang zur Firma steht
- alle und längst obsolete Bauteile in unglaublichen Mengen auf Lager sein sollen
- auf Bewertungsportalen keine Bewertungen ĂĽber die Firma zu finden sind; das ist ebenso suspekt wie negative Bewertungen
Die bei ERAI aufgeführte Liste ist kaum aktuell zu halten: Ist ein Name erst "verbrannt", wird mit dem (durchaus aufwendigen, siehe oben) Shop-Framework schnell der nächste Bauteile-Laden aufgemacht und die URL verscherbelt – gern an Porno-Seiten oder Domain-Squatter.
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(cm)