Corona-Expertenrat fordert anonymisierte Gesundheitsdaten in Echtzeit

Laut Expertenrat zeigt die Omikron-Welle Defizite bei der systematischen Erfassung von Informationen und deren Verfügbarkeit – anderswo funktioniere das besser.

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(Bild: SOMKID THONGDEE/Shutterstock.com)

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"Deutschland benötigt eine umfassende Digitalisierung des Gesundheitswesens mit Ausleitung, Auswertung und Veröffentlichung von anonymisierten Gesundheitsdaten in Echtzeit." Dies mahnt der im Dezember von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eingesetzte wissenschaftliche Covid-19-Expertenrat der Bundesregierung in einer am Freitag einstimmig angenommenen Stellungnahme an. Im weiteren Kampf gegen die Pandemie müsse die Politik "dringende Maßnahmen für eine verbesserte Datenerhebung und Digitalisierung" ergreifen.

"Eine aktuelle Datenerhebung, Verknüpfung epidemiologischer und klinischer Daten und deren wissenschaftliche Auswertung ist für ein daten- und evidenzbasiertes Pandemiemanagement von höchster Bedeutung", betont der 19-köpfige Rat, dem Forscher wie die Virologen Melanie Brinkmann, Christian Drosten und Hendrick Streeck sowie Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), angehören. Da eine Hospitalisierung mit einem erhöhten Schweregrad einer Erkrankung gleichzusetzen sei, bildeten anonymisierte Echtzeitdaten zur Krankenhauseinweisung "die Schwere der Krankheitslast in der Bevölkerung ab".

Informationen zu verfügbaren Ressourcen sowie zur Belegung von Kliniken sollten "über die etablierten Wege der Datenübertragung aus den Krankenhäusern an eine bereits damit routinemäßig betrauten Stelle übermittelt werden, empfehlen die Wissenschaftler. Sie setzen dabei vor allem auf das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystems für den Infektionsschutz (Demis). Die Hospitäler müssten über ihr Controlling verpflichtet werden, auch alle Aufnahmen oder erst in ihren Einrichtungen erfolgten Infektionen mit SARS-Cov-2 innerhalb der letzten 24 Stunden unter Angabe der Alterskategorie zu melden.

Ferner sollen die Zuständigen laut dem Papier sicherstellen, dass anonymisierte Daten der Krankenhausressourcen und -belegung insbesondere rund um Covid-19 "tagesaktuell, maschinenlesbar und transparent zur Verfügung gestellt werden". Dadurch könnte sehr zeitnah eine ausreichende Datengrundlage zur täglichen Lagebeurteilung generiert werden. Darüber hinaus sollte die Pflegebesetzung in den Kliniken, die bereits routinemäßig übermittelt wird, auch für wissenschaftliche Auswertungen zur Verfügung stehen. Auch die Einführung der umstrittenen elektronischen Patientenakte (ePA) müsse "mit höchster Priorität umgesetzt werden".

In anderen Industrieländern wie Dänemark oder Israel habe eine Datenerhebung in Echtzeit auf individueller Fallebene bereits "zur effizienten Bewältigung der Pandemie erheblich beigetragen", unterstreichen die Wissenschaftler. Hierzulande hätten Demis – und in einem Teilsegment – das Register zur Auslastung von Intensivbetten in Kliniken die Lage zwar etwas verbessert. Einzelfälle würden damit aber noch nicht erfasst. Es bestehe "auch zwei Jahre nach Beginn der Pandemie in Deutschland weiterhin kein Zugang zu einigen wichtigen, aktuellen Versorgungsdaten".

Die aktuelle Omikron-Welle mit ihrer veränderten Infektionsdynamik verstärkt und verdeutlicht dem Dokument zufolge erneut das Defizit bei der zeitnahen Erfassung und Verfügbarkeit einschlägiger Informationen. Dabei käme eine systematische Datenlage zur Impfung und Therapie bei Covid-19 auf individueller Ebene auch den Patienten direkt zugute. "Weitere Digitalisierungsschritte und Maßnahmen für eine offene Zugänglichkeit und zeitgemäße wissenschaftliche Analyse Pandemie-relevanter Daten und Aspekte" seien darüber – insbesondere zur Vorbereitung auf den nächsten Herbst und Winter – dringend notwendig.

Die Bundesregierung sollte zudem angesichts der Omikron-Variante "weitergehende Maßnahmen zur Infektionskontrolle" so vorbereiten, "dass sie ohne Verzögerung umgesetzt werden können", schreibt der Rat in einer weiteren aktuellen Eingabe. Die Bevölkerung müsse auf die potenziellen Gefahren sowohl für die Belastung der kritischen Infrastrukturen als auch auf die individuellen Risiken, die von einer Omikron-Infektion ausgehen könnten, weiter hingewiesen werden. Kontaktbeschränkungen und Boosterimpfungen seien das Mittel der Wahl, um die aktuelle Welle zu bremsen und etwa das Gesundheitssystem zu schützen.

(mack)