Creative Bureaucracy Festival: Neue Wege für die Verwaltung ausloten

Beim "Creative Bureaucracy Festival" suchen Teilnehmer aus Verwaltung, Politik und Gesellschaft nach Innovationen für den öffentlichen Sektor.

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Von
  • Falk Steiner
Inhaltsverzeichnis

Die Verwaltung von Bund und Ländern steht in den nächsten Jahren vor massiven Herausforderungen – schon beim Personal. So werden viele Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst in den kommenden Jahren in Rente oder Pension gehen. Das ist einer der Gründe, weshalb die Politik große Hoffnung auf Digitalisierung, datenbasierte Verfahren und KI-Unterstützung setzt.

Ob KI tatsächlich zukünftig eine relevante Rolle in der Verwaltung spielen könne, blieb auf dem Festival umstritten – denn die Verwaltungsprinzipien der Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen stehen jeder Art von BlackBox-Anwendungen im Wege. Ob das mit den Regelungen des AI Acts wirklich einfacher wird, ist unklar. Negative Erfahrungen mit fehlgelaufenen staatlichen KI-Anwendungen, etwa die Kindergeldaffäre in den Niederlanden, wurden auch bei der Veranstaltung in Berlin intensiv unter den Teilnehmer diskutiert.

Bei einem Workshop zu Foresight-Methoden für Kritische Infrastrukturen etwa zeigte sich, wie weit der Weg von Verwaltung und Politik noch ist. Foresight, also vorausschauend zu prüfen, was auf die Bundesrepublik zukomme, sei lange Zeit belächelt worden, so Clemens Gause vom Verband für Sicherheitstechnik.

Das habe sich mittlerweile etwas geändert. Es werde intensiv Vorausschau innerhalb der Bundesregierung betrieben, berichtet Henning Riecke von der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS). Dazu kämen zahlreiche nachgeordnete Behörden, Forschungseinrichtungen und Institute, aber auch internationale Akteure und Privatunternehmen wie der Logistikdienstleister DHL oder der Rückversicherer Munich RE, die Foresight-Methoden nutzten.

Für den öffentlichen Bereich spielten dabei auch die Informationen von Nachrichtendiensten eine wichtige Rolle. Die Möglichkeiten in den Ministerien, im Alltag selbst Vorausschauprozesse durchzuführen, seien allerdings sehr begrenzt und politisch sei es nach wie vor heikel, für das zum jetzigen Zeitpunkt politisch nicht Wünschenswerte vorausschauend Pläne zu entwickeln.

Neben den geänderten außenpolitischen Rahmenbedingungen und technologischen Großthemen spielt auch die geänderte Kassenlage bei den kreativen Bürokraten eine große Rolle: Konnte in den vergangenen Jahren der Bund mit seinen Mitteln Länder und Kommunen oft großzügig unter die Arme greifen, entfällt das auf absehbare Zeit.

Ganz praktisch zeigt sich das am Beispiel der IT in Schulen. Während der Corona-Ausnahmelage hatte der Bund über den sogenannten Digitalpakt massiv die Beschaffung von digitalen Endgeräten gefördert. Doch die Umsetzung und Nutzung der digitalen Möglichkeiten an Schulen unterscheidet sich massiv - und eben jene Geräte, die 2021/22 beschafft wurden, drohen langsam aus dem Nutzungszyklus zu fallen.

Zuständig für die Ausstattung der Schulen sind die sogenannten Schulträger – in der Regel Kommunen. Je nach eigenen Präferenzen, Region und Kassenlage haben diese ihre Schulen ganz unterschiedlich ausgestattet, berichteten die Teilnehmer eines Panels. Die Modelle reichen von der zentralen Beschaffung und Wartung in einer Stadt wie Lübeck mit allein 1.400 interaktiven Displays und tausenden Endgeräten für Schülerinnen und Schüler über eine Einzelgemeinde wie Wiesenburg in der brandenburgischen Mark, wo eine einzelne IT-Fachkraft sich um die Endgeräte kümmert, bis hin zu Dataport, dem IT-Dienstleister der norddeutschen Bundesländer, der zentral Beschaffung und Wartung von Geräten organisiert und entsprechend skaliert. Und alle stehen vor der Herausforderung, dass nun neue Beschaffungsrunden anstehen, deren Finanzierung ungewiss ist und diese auch noch den Nachhaltigkeitskriterien entsprechen soll.

Entscheidend sei sowohl für die Wirtschaftlichkeit als auch die Nachhaltigkeit die Standardisierung, erläuterte Jens Kämper von Dataport. Dort seien ein zentrales Mobile-Device-Management und ein Pool an Ersatzgeräten vorhanden, erläuterte er. Die würden zum Einsatz kommen, wenn Geräte defekt seien – und was ökonomisch noch reparierbar sei, würde auch repariert. "Über die fünf Jahre Nutzungszeit kommen wir trotzdem selten hinaus", gab Kämper einen kleinen Einblick. Davon kann Peter Jerie vom Medienzentrum Jena nur träumen. Die dortigen Stellen für MDM-Administratoren seien bislang bis Jahresende befristet, bis zum Ende der Förderung aus dem Digitalpakt, was aber auch der Stadtrat inzwischen als Problem erkannt habe.

Dass die "Turnschuhadministration" keine Zukunft habe, sei ökonomisch wie ökologisch klar, berichtete Tobias Stahl von der Stadt Lübeck. "Wir versuchen, alles aus der Ferne wartbar zu machen: Ich spare mir CO2, Anfahrtszeit und Arbeitszeit. Wir haben einen dreifachen Benefit für jede Serviceleistung, die aus der Ferne gemacht werden kann." Der einzige Mitarbeiter, der derzeit noch im Hands-On-Modus im Stadtgebiet unterwegs sei, fahre derzeit 2.000 Kilometer mit einem E-Auto – jeden Monat.

Viel Elektroschrott würde auch durch mangelnden Softwaresupport entstehen – wenn keine Sicherheitsupdates mehr verfügbar wären, würde das Ende des Lebenszyklus unvermeidlich sein, erläuterte Kämper von Dataport. Das müsse bereits in der Planung berücksichtigt werden. Ein vermeintlich günstiger Preis mit nur drei Jahren Restlaufzeit könne am Ende auf viel mehr Gesamtkosten hinauslaufen als der eines teureren Gerätes mit acht Jahren Lebensdauer.

Dass Nachhaltigkeit eine größere Rolle auch in der Verwaltungslogik spielen müsse, forderte Tobias Stahl: Bislang würde repariert, wenn es nach den Abschreibungsregeln wirtschaftlich sei - was de facto dazu führe, dass viele Geräte ausgetauscht statt repariert würden. Das würde den ökologischen Fußabdruck unnötig hochtreiben. Etwas Hoffnung verbreitete Pratham Karkare vom IT-Wiederaufbereiter Rebuy. Er betonte, dass das Ökosystem für die Wiederaufbereitung und Weiterverwendung von IT-Geräten in Deutschland bereits gut entwickelt sei und dadurch nicht nur ein Zweit-, sondern oft auch eine Dritt- oder Viertverwendung möglich werde. Ob das für Schulen mit ihren Hunderttausenden Geräten tatsächlich die Lösung sein kann, darüber schwiegen sich die anderen Diskutanten beim Creative Bureaucracy Festival aus.

(jo)