DNA-Computer löst Sudoku-Probleme und speichert Daten

Wissenschaftler aus den USA haben Methoden fürs DNA-Computing entwickelt, mit denen sie Daten speichern, Berechnungen anstellen und Sudoku lösen können.

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DNA-Strang

(Bild: Erzeugt mit Dall-E durch heise online)

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Inhaltsverzeichnis

Ein Team der North Carolina State University und der Johns Hopkins University hat nach eigenen Angaben erstmals ein Verfahren entwickelt, das auf DNA-Basis sowohl Daten speichern, abrufen, berechnen, löschen und wiederholt überschreiben kann. Solche Funktionen gab es bisher nicht auf Basis der DNA-Technik, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Nature Nanotechnology.

Anders als bei bisherigen Ansätzen des DNA-Computings werden die DNA-Moleküle bei dem vom Team um Albert Keung, außerordentlicher Professor für Chemie- und Biomolekulartechnik an der North Carolina State University, gewählten Aufbau während der Berechnung nicht zerstört. Stattdessen wird die in DNA kodierte Information wie in lebenden Organismen von einem Enzym abgelesen (RNA-Polymerase) und zu einem komplementären RNA-Strang synthetisiert. Dessen Abfolge wird dann per gängiger Nanoporen-Sequenzierung ermittelt. So bleiben die ursprünglichen Daten erhalten – vergleichbar mit dem Kopieren eines Dokuments vor der Bearbeitung.

Nanoporen-Sequenzierung​

Die Nanoporen-Sequenzierung ist eine Methode zur DNA/RNA-Analyse. Sie nutzt winzige Poren in einer Membran, durch die einzelne Nukleinsäurestränge gezogen werden. Dabei werden für jede Base charakteristische elektrische Stromänderungen gemessen. So lassen sich lange Stränge in Echtzeit mit minimaler Probenvorbereitung sequenzieren. In dem beschriebenen DNA-Computersystem ermöglicht sie das direkte Auslesen der in RNA transkribierten Daten.

Um die Fähigkeiten ihres Systems zu demonstrieren, kodierte das Team drei JPEG-Bilder in 2.775 verschiedenen DNA-Strängen mit einer Länge von je 243 Nukleotiden und las jeden Strang zehnmal aus. Dabei kann man sich die 243 Nukleotide als Datenblöcke vorstellen, die in der richtigen Reihenfolge eine Datei ergeben.

Ebenso lösten die Wissenschaftler mit dem System einfache Schach- und Sudoku-Probleme auf einem 3×3-Raster. Dazu luden sie jede der rund 1.000 möglichen Brettstellungen in DNA-Mikropartikel und transkribierten sie zu RNA. Anschließend eliminierten sie mit einem Enzym alle Ergebnisse, die gegen die Regeln von Schach oder Sudoku verstoßen, sodass nur gültige Lösungen übrig blieben.

Um etwa ein einfaches 3×3-Sudoku zu lösen, kodieren die Wissenschaftler zuerst die verschiedenen Zustände des Sudoku-Rätsels als Abfolge von DNA-Nukleotiden:

Position 1: ACGT (kodiert Zahl 1)
Position 2: TGCA (kodiert Zahl 2)
...
Position 9: GTCA (kodiert Zahl 3)

Diese DNA-Stücke werden dann im Labor synthetisiert.

Die synthetisierten DNA-Stücke werden dann auf ein Substrat aufgebracht. Das stabilisiert die DNA und bildet eine funktionale Umgebung für molekulare Reaktionen (mehr dazu, siehe unten). Auf dem Substrat läuft dann die Kopiertechnik von DNA zu RNA ab (Transkription mittels RNA-Polymerase). Alle synthetisierten RNA-Stränge zusammen repräsentieren alle möglichen und unmöglichen Lösungen des Sudoku-Rätsels. Um nun die ungültigen Lösungen zu tilgen, löschen die Forscher diese Fragmente in zwei Schritten: Zuerst markieren sie die unerwünschten Fragmente mittels komplementären DNA-Strängen. Damit werden die unerwünschten Elemente zum Futter für das Enzym RNase H: Es bindet spezifisch an Kombi-Stränge aus RNA und DNA und zerkleinert den RNA-Strang zu Einzelnukleotiden. Im letzten Schritt wird dann nur die Sequenz der unmarkierten RNA-Stränge ermittelt, also die gültigen Sudoku-Lösungen.

DNA-Computer eignen sich laut Keung besonders gut für die Lösung solcher Probleme. Wenn man sie hochskaliert, könnten sie Vorteile gegenüber teuren und energieintensiven Prozessoren bieten, wie sie derzeit zum Training von KI verwendet werden. "Stellen Sie sich vor, Sie ersetzen einen Großteil davon durch kostengünstige, platzsparende, energiearme, hochgradig parallele molekulare DNA-Berechnungen".

Eigentlich könnten all die obigen Vorgänge in flüssiger Lösung ablaufen. Das mindert aber die Haltbarkeit der DNA erheblich, weil sie in Lösung Scherkräften ausgesetzt ist. Das Team hat daher nach einem Trägermaterial für DNA gesucht und unter anderem verschiedene in wässriger Lösung eingebrachte Makromoleküle untersucht. Am Ende schnitt Zelluloseazetat am besten ab, das in wässriger Lösung verzweigte Kolloide bildet; daher gehört es zur Stoffklasse der Dendrikolloide.

Es bildet in wässriger Lösung etwa 50 Mikrometer große, hochporöse Kolloidpartikel mit hierarchisch verzweigter Struktur und einer enormen Oberfläche von 200 cm² pro Milligramm. Allein an ein solches Partikel bindet bis zu eine Billion DNA-Oligonukleotide, was einer Speicherkapazität von 10 Terabyte entspricht. Die Speicherdichte beträgt beeindruckende 10.000 Terabyte pro Kubikzentimeter, heißt es in der Arbeit. "Man könnte Daten von tausend Laptops in einem DNA-basierten Speicher unterbringen, der so groß ist wie ein Radiergummi", kommentiert Albert Keung.

Außerdem ist der Speicher aus DNA auf Zelluloseazetat extrem langlebig. In beschleunigten Alterungstests ermittelte das Forschungsteam Halbwertszeiten von etwa 6.000 Jahren bei einer Lagertemperatur von 4°C und 2 Millionen Jahren bei -18°C.

Für die Langzeitlagerung wird DNA normalerweise gefriergetrocknet (lyophylisiert), zum Auslesen dann wieder in wässrige Lösung gebracht (rehydriert). Da dabei wiederum Scherkräfte auftreten, unter denen die DNA-Stränge brechen, lässt sich der Vorgang nicht beliebig oft wiederholen. Reine DNA liefert nach 60 solchen Vorgängen keine korrekten Daten mehr. Zelluloseazetat stabilisiert sie jedoch so gut, dass man sie über 170 Mal gefriertrocknen und rehydrieren kann.

(vza)