SAP: Innovationen bald Cloud-Only? DSAG schlägt Alarm

Die Ankündigung von SAP, Innovationen verstärkt auf seine Cloud-Produkte zu beschränken, stößt bei der Anwendergruppe DSAG auf Unmut.

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(Bild: iX)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Achim Born

Die DSAG schlägt Alarm: In den Augen der deutschsprachigen SAP-Anwendervertretung lässt das Walldorfer Softwarehaus mit der Ankündigung, Innovationen künftig nur in der Cloud verfügbar zu machen, zahlreiche Stammkunden im Stich.

Auf der jüngsten Quartalsbilanzkonferenz verkündete SAP-Chef Christian Klein, dass größere Innovationen – sogenannte "Premium"-Prozesse – exklusiv in der Cloud angeboten werden sollen. Diese sollen nur zugänglich sein, wenn die S/4HANA Cloud, Public Edition oder SAP S/4HANA Cloud, Private Edition über GROW-with-SAP- oder RISE-with-SAP-Verträge zum Einsatz kommen. Dies bedeutet konkret, dass On-Premises-Kunden, Hyperscaler mit direktem Kundenkontakt oder Managed-Services-Provider außen vor bleiben. KI-gestützte Premium-Prozesse, das "grüne" Konto-Buch für die Nachverfolgung von CO₂-Emissionen (Green Ledger) und größere Erweiterungen der SAP PaaS-Umgebung BTP (Business Technology Platform) wären demnach weder für eine gehostete Hyperscaler-Implementierung außerhalb der RISE with SAP-Bundles noch für On-Premise-Implementierungen der Unternehmenssoftware verfügbar.

Für die DSAG (Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe) stellen Kleins Ausführungen zur Produktstrategie vor Finanzanalysten eine 180-Grad-Wende zu den bisherigen Äußerungen dar. "SAP hatte zuvor behauptet, Verbesserungen nicht auf cloudbasierte Angebote beschränken zu wollen. Die Aussage ist ein schwerer Schlag. Sie kommt einem Paradigmenwechsel gleich", kritisiert DSAG-Chef Jens Hungershausen den SAP-Boss heftig. Bereits in der Vergangenheit hatte die Anwendervertretung den Software-Hersteller wiederholt dafür angemahnt, die On-Premises-Kunden nicht genug im Blick zu haben und sich zu stark auf cloudbasierte Innovationen und Angebote zu konzentrieren. Da die SAP-Kundigen bei der DSAG keine technologischen Gründe für eine Cloud-Exklusivität ausmachen könnten, dränge sich Eindruck auf, dass bei ihrem Haus- und Hof-Lieferant eine Zwei-Klassen-Gesellschaft herrscht.

Wie die DSAG-Vertreter erläutern, handelt es sich bei RISE with SAP und Grow with SAP im Wesentlichen um zwei kommerzielle Bundles, in denen S/4HANA Private Cloud oder S/4HANA Public Cloud enthalten sind. Die Unternehmenssoftware in der Private Cloud ist aber letztlich eine On-Premises-Technologie, die durch ein anderes Betriebs- und Lizenzmodell bereitgestellt wird. Dies wirft aus DSAG-Sicht die Frage auf, warum Innovationen nicht auch für On-Premises-Kunden verfügbar sein sollten.

Eine Priorisierung der Public Cloud können die Anwendervertreter angesichts des Potenzials noch nachvollziehen, deren Exklusivität bei den großen Innovationen wie KI oder Green Ledger aber nicht. Das stelle für sie eine reine unternehmerische Entscheidung der Walldorfer zugunsten der Cloud und zum Nachteil von On-Premises dar. "Kunden, die bereits in S/4HANA On-Premise investiert haben, können nun den Eindruck gewinnen, Millionen verschwendet zu haben. Das schafft kein Vertrauen, wenn SAP den Kunden nicht gleichzeitig klare Entwicklungspfade aufzeigt, für einen reibungslosen Übergang in die Cloud und in die Next Generation ERP, ohne die getätigten Investitionen zu gefährden", warnt Hungershausen.

"Mit der Bekanntgabe der ursprünglichen Wartungsverlängerung bis 2040 hatte SAP ebenfalls zugesichert, Innovationen für S/4HANA bereitzustellen und Kunden damit Stabilität versprochen", ergänzt sein Vorstands-Kollege Sebastian Westphal. Und weiter: "Aus Kundensicht stellt sich jetzt allerdings die Frage: Was ist diese Wartungs- und Innovationszusage ohne die genannten Bereiche wert, wenn das System nicht kontinuierlich mit Innovationen versorgt und damit am Bedarf der Unternehmen vorbeientwickelt wird?"

Es ist aktuell offen, wie der Software-Hersteller auf die neue Kritik reagiert und ob er die Bedenken aufgreift. Die DSAG fordert jedenfalls nachdrücklich, alle Innovationen für die S/4HANA Public Cloud oder Private Cloud auch für S/4HANA On-Premise mit identischem Leistungsumfang zur Verfügung zu stellen. Immerhin reden DSAG und SAP miteinander, um Lösungswege auch für On-Premises-Anwender in die Cloud aufzuzeigen und gleichzeitig Investitionen zu schützen. "Eine Cloud-first-Strategie von SAP könnten wir verstehen. Cloud-only ist aus unserer Sicht jedoch weiterhin keine Option", sagte Jens Hungershausen.

(jvo)