ETH Zürich expandiert nach Heilbronn

Die ETH Zürich erhält eine Mega-Spende der Dieter Schwarz Stiftung und wird mit dieser für 30 Jahre eine enge Kooperation in Heilbronn und Zürich eingehen.

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(Bild: ITTIGallery/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Tom Sperlich
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Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) plant einen Ableger auf dem Bildungscampus Heilbronn, der von der Dieter Schwarz Stiftung (DSS) gegründet wurde, aufzubauen.

Dank einer Großspende der gemeinnützigen DSS (Schwarz ist Gründer der Discounter-Kette Lidl) soll dort von der ETH ein neues Lehr- und Forschungszentrum für "verantwortungsvolle digitale Transformation" betrieben werden. Dazu sollen primär die Bereiche Künstliche Intelligenz, IT-Security, Transformation der Arbeitswelt, Kreislaufwirtschaft und Bioinformatik zählen.

Am Freitag unterschrieben der ETH-Präsident Joël Mesot und Reinhold Geilsdörfer, Geschäftsführer der Dieter Schwarz Stiftung, eine weitreichende Absichtserklärung betreffs ihrer künftigen Partnerschaft. Geilsdörfer zeigte sich "stolz und glücklich darüber, mit einer der zehn besten Universitäten der Welt kooperieren zu können".

Klimawandel, geopolitische Instabilitäten, Energiekrise, Unterbrechungen von Lieferketten, Cyberangriffe, die sich rasch verändernde Arbeitswelt: Die Gesellschaft stehe vor zahlreichen globalen Herausforderungen, verlautbarten die Partner. "Einer der Schlüssel für Lösungen liegt in der digitalen Transformation. Alle Kräfte sind gefordert – insbesondere Wissenschaft und Universitäten", erklärt ETH-Präsident Mesot die Motivation für diese Partnerschaft.

Der Aufbau des neuen Zentrums und der Kooperation in Zürich und Heilbronn soll schrittweise erfolgen. Mit den Zuwendungen der Stiftung sollen in den kommenden 30 Jahren rund 20 Professuren eingerichtet werden. In einem konkreten ersten Schritt würden in Zürich zwei neue Professuren im Bereich Informatik und Datenwissenschaften geschaffen.

Nächstes Jahr sollen dann fünf weitere Professuren in Heilbronn eingerichtet werden. Erste Lehrveranstaltungen sollen dort in 2025 abgehalten werden, so Joël Mesot.

Die in Deutschland stationierten ETH-Forschenden würden sowohl in Heilbronn als auch in Zürich unterrichten, im neuen Zentrum Studierende sollen am Ende einen ETH-Abschluss erhalten. Auch auf Forschungsebene ist ein enger Austausch zwischen beiden Standorten vorgesehen. "Die gemeinsame Forschung und gemeinsam generiertes Wissen kommt der Schweiz, Deutschland, Europa und letztlich der ganzen Welt zugute", betont Mesot.

Über die Höhe der Zuwendungen der Stiftung an die ETH werden keine Angaben gemacht, sie sollen im Bereich von mehreren hundert Millionen Euro liegen.

Die Taschen der DSS sind dafür tief genug: Die in der Schwarz-Gruppe zusammengefassten Unternehmen, zu denen etwa auch Kaufland zählt (und die einst an die Stiftung übertragen wurden), erwirtschaftete im letzten Jahr mit 600.000 Mitarbeitern weltweit einen Umsatz von rund 160 Milliarden Euro.

Der von Dieter Schwarz seit 2010 in seiner Heimatstadt Heilbronn aufgebaute Bildungscampus beherbergt auch Außenstellen der Technischen Universität München und eine neue Forschungsgruppe, "Joint Innovation Hub Heilbronn" der Fraunhofer-Gesellschaft, auch mit den Universitäten von Oxford und Stanford gibt es bereits Kooperationen.

Für die ETH Zürich ist es die zweite Auslands-Expansion. Seit 2010 betreibt sie in Singapur zusammen mit der dortigen Nationalen Forschungsstiftung ein Forschungszentrum.

Von manchen Beobachtern und Politikern in der Schweiz werden die Pläne nicht nur begeistert aufgenommen. Vor allem die offenbar riesige Summe der DSS-Zuwendungen beschäftigt Skeptiker. In Schweizer Medien sorgen sie sich um "Abwanderung von Bildungskapital" ins Ausland oder werfen Fragen nach der Unabhängigkeit von Forschung und Lehre auf – fordern mehr Transparenz, vor allem wo es um solch riesige Donationen geht. Solche Geldflüsse könnten brisant sein, wenn Spender zu viel Einfluss auf die Forschung nehmen wollen, sagen besorgte Stimmen.

Immerhin steht ja auch im Vordergrund der Kooperation die derzeit nicht nur im wissenschaftlichen Fokus stehende Künstliche Intelligenz. In diesem Bereich wollen letztendlich beide Partner glänzen. Was aber nicht immer ganz so einfach scheint. So heißt es seitens der ETH: "Die Partnerschaft mit der Dieter Schwarz Stiftung erlaubt es der ETH Zürich, ihre Forschung und Lehre insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz in einem Ausmaß weiterzuentwickeln, das im Rahmen von regulären ETH-Mitteln und -Strukturen nicht möglich wäre." Im Kontrast dazu lancierten die Technischen Hochschulen Zürich und Lausanne gerade die "Swiss AI-Initiative". Diese will die weltweite Vorreiterrolle bei Künstlicher Intelligenz übernehmen. Da ist wohl ein warmer Geldregen aus Heilbronn nur zu willkommen. Eine damit beabsichtige Einflussnahme wird sowohl von ETH als auch DSS bestritten.

Zum Big Player der KI entwickelt sich die DSS aber durchaus. Sie hat nicht nur den Lead bei einer Investorengruppe, die unlängst eine halbe Milliarde US-Dollar in Aleph Alpha investierte, ein deutsches KI-Unternehmen, das sich zum Hoffnungsträger des deutschen KI-Ökosystems entwickelte.

Darüber hinaus ist die DSS auch Mit-Initiator des Innovation Park Artificial Intelligence (Ipai), laut eigenen Aussagen "das wohl ambitionierteste Projekt für angewandte Künstliche Intelligenz in Europa", das im Norden von Heilbronn entstehen soll, mit ersten bezugsfertigen Gebäuden ab 2026.

(bme)