Das Handy als Fahrkartenautomat

Wenn ein Modellversuch in Hessen, der nun offiziell vorgestellt wurde, Schule macht, könnte das Handy künftig auch als Fahrkartenautomat und Ticket im öffentlichen Nahverkehr Verwendung finden.

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Von
  • Verena Wolff
  • dpa

Das Mobiltelefon erhält immer neue Funktionen: Wenn ein Modellversuch in Hessen Schule macht, könnte das Handy künftig auch als Fahrkartenautomat und Ticket im öffentlichen Nahverkehr Verwendung finden. In Hanau testen von Mai an 200 Fahrgäste ein halbes Jahr lang das neue System in 66 Bahnen und Bussen -- nach Angaben des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) erstmals weltweit.

"Beim Ein- und Aussteigen hält der Fahrgast das Handy vor einen kontaktlosen Leser", erklärte RMV-Geschäftsführer Volker Sparmann am heutigen Donnerstag bei der Vorstellung des Projekts. Über eine spezielle Software, die auf das Handy aufgespielt ist, werden Ein- und Aussteigehaltestelle sowie die Umsteigepunkte aufgezeichnet. Abgerechnet wird am Monatsende: "Die Rechnung enthält, ähnlich wie die Telefonrechnung, die Auflistung der unternommenen Fahrten", erläuterte Sparmann. Dabei werde für jede Fahrt der günstigste Preis berechnet, so dass auch Gelegenheitsfahrer nie zu viel bezahlten. "Auch bei den Automaten interessiert ja niemanden die Tarifstruktur, sondern nur, was die Fahrkarte von A nach B kostet." In die Hülle des Mobiltelefons ist ein Chip eingelassen, der die kabellose Funkübertragung per Near-Field-Communication unterstützt.

Im Gebiet des Verkehrsverbundes gibt es 11.000 Haltestellen. "Am Automaten eine Fahrkarte zu kaufen ist eine äußerst komplizierte Angelegenheit", bemängelte Klaus-Peter Güttler, Ministerialdirigent im hessischen Verkehrsministerium. Güttler verspricht sich von dem Projekt viel. "Es ist ein Baustein, die Hürden zu beseitigen und mehr Fahrgäste anzuziehen." Der Rhein-Main-Verkehrsverbund hofft auf mehr Kunden und will mehr über sie in Erfahrung bringen. "Den gläsernen Kunden wird es aber nicht geben", sagte Sparmann. Jeder Kunde müsse zustimmen, wenn seine Daten aufgezeichnet werden. "Im Übrigen ist das Projekt mit dem Datenschutzbeauftragten des Landes abgestimmt."

Der Fahrkartenkauf soll aber nicht nur für die Kunden einfacher werden, auch den Kontrolleuren in Bussen und Bahnen wird die Arbeit erleichtert: "Ein spezielles Nokia-Kontrolltelefon ermöglicht ihnen das elektronische Auslesen der letzten Fahrten", berichtete Sirpa Nordlund von dem finnischen Handyhersteller, der die so genannte NFC Shell für seine Handys entwickelte. Sie verfügt über vier RFID-Tags auf der Außenseite, die bestimmte Befehle ausführen können. Auf den Tags werden Dienste-Kürzel vermerkt, die das mobile Internet-Surfen ebenso vereinfachen sollen wie den Zugriff auf SMS. Die Hülle funkt im 13,56-MHz-Frequenzband bis zu einer Entfernung von mehreren Zentimetern. Die Datenrate zwischen zwei aktiven NFC-Geräten soll bis zu 424 kBit pro Sekunde betragen, was die Übertragung von Audiodateien oder sogar kleineren Videogames ermöglicht.

Im Jahr 2002 war in der osthessischen Stadt bereits ein chipbasiertes Einsteige-System installiert worden, das derzeit rund 6000 Fahrgäste nutzen. "Die Infrastruktur für das Handyprojekt ist also schon vorhanden", sagte der Vorstandsvorsitzende der Hanauer Straßenbahn AG, Ulrich Hoffmann. Die Investitionskosten hielten sich daher in Grenzen. "Die Technik funktioniert weltweit", sagte Stefan Steinmeier vom Halbleiter-Hersteller Philips. In Deutschland hätten bereits die Verkehrsverbünde Oberelbe, Rhein-Ruhr und Rhein-Sieg Interesse bekundet. "Idealerweise kann man künftig auch in New York oder Hongkong die Fahrkarte mit dem eigenen Handy bezahlen." (Verena Wolff, dpa) / (jk)