Datenschützer rügt Dresdner Massenabfrage von Handy-Daten
Der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig hat die flächendeckende Erfassung von Mobilfunkdaten im Zuge einer Anti-Nazi-Demonstration formell beanstandet.
Die flächendeckende Erfassung von Mobilfunkdaten anlässlich einer Anti-Nazi-Demonstration in Dresden im Februar war unverhältnismäßig und somit rechtswidrig. Zu diesem Schluss kommt der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig in einem Prüfbericht (PDF-Datei). Wer Funkzellen abfragen wolle, um Handy-Daten auszuwerten, die sich zeitlich über mehrere Stunden erstrecken, dicht besiedelte Wohngebiete und dabei auch Geheimnisträger wie Abgeordnete oder Journalisten erfasst, müsse prüfen, ob das angemessen sei, schreibt der Datenschützer. Das habe weder die ermittlungsführende Staatsanwaltschaft noch die Polizeidirektion Dresden oder das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen getan. Der Datenschutzbeauftragte beanstandete daher alle drei an der Aktion beteiligten Behörden formell.
Die Funkzellenabfrage sei als "Standardermittlungsmaßnahme" betrachtet worden; die Rechtsgüter seien – wenn überhaupt – nur unzureichend abgewogen worden, hält Schurig fest. Die Polizeidirektion Dresden habe ein Konzept verfolgt, mit dem die erhobenen Daten auf das zur Strafverfolgung erforderliche Maß reduziert werden sollten. Andererseits habe sie große Informationsbestände vom LKA einfach übernommen.
Die Vorgänge sind für Schurig vom Ausmaß her einmalig in Deutschland. So habe die Polizeidirektion in einer insgesamt neun Stunden dauernden Funkzellenabfrage an 14 Örtlichkeiten in der Dresdner Südvorstadt 138.630 Verbindungs- und Standortinformationen erhoben. Das LKA habe parallel über 12 Stunden hinweg knapp 900.000 "Verkehrsdaten", 257.858 Rufnummern und 40.732 Bestandsdaten mit Namen und Anschrift von Mobilfunkteilnehmern gesammelt – und zwar im Rahmen von "Strukturermittlungen" gegen eine kriminelle Vereinigung. Der Datenschützer monierte, dass durch Bürger eingeschüchtert worden sein könnten.
Grundsätzlich positiv bewertet der Datenschutzbeauftragte die Bundesratsinitiative der sächsischen Regierung, die gesetzlichen Grundlagen für die Funkzellenabfrage in Paragraph 100g der Strafprozessordnung zu präzisieren. Besser sei es jedoch, "noch klarere Vorschriften" zu erlassen. Der Datenschützer macht sich dafür stark, namentlich bekannte Betroffene unverzüglich zu benachrichtigen. Der gespeicherte Datenbestand müsse sofort reduziert werden; dabei müssten vor allem die zur Strafverfolgung nicht benötigten Informationen gelöscht werden. Die Daten aufzubewahren und zur Gefahrenabwehr zu nutzen sei unzulässig. (anw)