Datenschützer wollen Schutz der Privatsphäre zum Wahlkampfthema machen

Datenschutz spiele eine zentrale Rolle in der Informationsgesellschaft, sei aber kaum Thema der Parteiprogramme, beklagen drei Landesdatenschutzbeauftragte.

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Von
  • Holger Dambeck

Die Datenschutzbeauftragten der Länder Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein beklagen, dass Datenschutz im Wahlkampf praktisch kein Thema sei, obwohl er nach ihrer Auffassung für die Informationsgesellschaft eine zentrale Rolle spiele. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin veröffentlichten Hansjürgen Garstka, Alexander Dix und Helmut Bäumler einen Fragenkatalog an Parteien und Kandidaten, der Wählern helfen soll, sich ein Bild über die unterschiedlichen Wahlprogramme zu machen.

Die Datenschutzbeauftragten warfen der Bundesregierung vor, wichtige Vorhaben im Datenschutz nicht umgesetzt zu haben. So sei das Grundrecht auf Datenschutz nach wie vor nicht in das Grundgesetz aufgenommen. Auch die Förderung wirksamer Verschlüsselungsverfahren lasse auf sich warten. Stattdessen gebe es immer wieder Überlegungen, das Recht auf Kryptografie zu beschränken.

Für die nächste Legislaturperiode verlangen Garstka, Dix und Bäumler eine grundlegende Neustrukturierung des Datenschutzes, damit jeder Bürger selbst entscheiden könne, welche Datenspuren er hinterlasse und wie diese verwertet würden. Sie wollen deshalb von den Politikern wissen, ob Verbraucherrechte durch Einführung so genannter Opt-in-Modelle künftig gestärkt werden sollen, bei denen Kunden der Weitergabe ihrer Daten ausdrücklich zustimmen müssen.

Wichtig ist den Datenschützern außerdem die Anonymität im Internet. Ein Mausklick erzeuge eine oft personenbezogene Datenspur, deren Summe zu einem aussagekräftigen Persönlichkeitsprofil werde und für vielfältige Zwecke wie Marketing, Auswahl unter Stellenbewerbungen oder Observation von Personen genutzt werden könne. Das Recht auf Anonymität und der Schutz vor zwangsweiser Identifizierung seien in der realen Welt gewährleistet -- in keiner Buchhandlung könnten Kunden dazu gezwungen werden, einen Ausweis vorzulegen. Diese Rechte würden aber im Netz durch Pläne für eine geplante umfassende Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten massiv bedroht.

Die nach den Terroranschlägen im September ausgeweiteten Eingriffsbefugnisse der Sicherheitsbehörden sind den Datenschützern ein Dorn im Auge. "Videoüberwachung, Lauschangriff, Rasterfahndung, langfristige Aufbewahrung der Daten bei der Nutzung des Internet und der Telekommunikation, Zugriff auf Kundendaten und Geldbewegungen bei den Banken -- unser Rechtsstaat wird zum Präventions- und Überwachungsstaat", konstatieren sie. Die Datenschützer fordern daher, die verschärften Gesetze von unabhängiger Stelle neu bewerten zu lassen.

Weitere Punkte im Fragenkatalog sind etwa die Gentechnik -- hier verlangen Garstka, Bäumler und Dix, dass Tests ohne Wissen und Wollen des Betroffenen unter Strafe gestellt werden -- sowie das nicht umgesetzte Informationsfreiheitsgesetz. Für sich selbst fordern die Datenschutzbeauftragten "völlige Unabhängigkeit", wie sie die Europäische Datenschutzrichtlinie vorschreibe. Der Datenschutz bei Privatunternehmen sei häufig bei Innenministerien angesiedelt; auch die Landesbauftragten unterlägen der Rechtsaufsicht durch die jeweilige Landesregierung.

Siehe zur Bundestagswahl auch: (hod)

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