Datenschutzgutachten: Doctolib mahnt Marktkonkurrenten ab

Das Terminvereinbarungs-Portal für Gesundheitseinrichtungen Doctolib​ soll Konkurrenten abmahnen, die auf Datenschutzprobleme verweisen.​

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Ärztin mit einem Tablet

(Bild: fizkes/Shutterstock.com)

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Das Unternehmen Doctolib mahnt andere Firmen ab, die sich auf kritische Doctolib-Gutachten des Netzwerks Datenschutzexpertise beziehen, sagt der Datenschutzexperte Thilo Weichert in seinem jüngsten Doctolib-Gutachten (PDF). Wer nach Abgabe einer Unterlassungserklärung weiterhin auf die Gutachten verweise, solle einen Schadensersatz in Höhe von 50.000 Euro plus Anwaltskosten von etwa 2700 Euro zahlen. Weichert: "In der gesamten Abmahnung wird keine einzige der in diesen Gutachten dargestellten Tatsachen widerlegt. Sie beschränkt sich darauf, in den Gutachten vorgenommene rechtliche Bewertungen des Netzwerks zu bestreiten, ohne aber diese Bewertungen begründet zu widerlegen."

Doctolib hat durch die Kombination einer Dienstleistung für 340.000 Ärztinnen und Therapeutinnen und den Betrieb eines eigenen Webportals nach eigenen Angaben inzwischen Gesundheitsdaten von 80 Millionen PatientInnen gesammelt. Weichert wirft dem Unternehmen in mehreren Gutachten vor, mit seinem Angebot rechtswidrig zu handeln. Außerdem veranlasse es Gesundheitseinrichtungen dazu, gegen den Datenschutz zu verstoßen. Dies erodiere das Patientengeheimnis und die zwischen Heilberufen und Patienten bestehenden Vertraulichkeit.

Weichert kritisiert, dass Doctolib mit der Abmahnung von Wettbewerbern "eine Diskussion über seine Datenschutzverstöße unterbinden und sich gegenüber Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil verschaffen" wolle. Überdies verweigere das Unternehmen eine direkte Auseinandersetzung mit dem Netzwerk Datenschutzexpertise. Eine Doctolib-Sprecherin bestätigte, dass es "vereinzelt Situationen" gegeben habe, "in denen wir gegen unlauteren Wettbewerb einzelner Marktteilnehmer vorgehen mussten – wie zum Beispiel im Falle unzulässiger Herabsetzung und Verunglimpfung von Doctolib". Dies sei ein übliches Vorgehen im Rahmen des deutschen Wettbewerbsrechts.

Mit dem Thema Datenschutz habe dieses Vorgehen nichts zu tun. Doctolib begrüße Wettbewerb und setze sich für "ein diverses Ökosystem im Gesundheitswesen" ein. Seit Beginn der Geschäftstätigkeit in Deutschland stehe es "im regelmäßigen Austausch" mit der Berliner Datenschutzaufsicht (BlnBDI): "Dieser Austausch ist für uns wertvoll und fester Bestandteil unserer Produktentwicklung."

Gegenüber heise online kommentierte Thilo Weichert: "Die behaupten, ihre wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen hätten mit dem Datenschutz nichts zu tun, wenn in den Abmahnungen falsche Darstellungen zu ihrem Datenschutz enthalten sind." Das sei "frech", wie auch die Behauptung, fester Bestandteil der Entwicklung sei der regelmäßige Austausch mit der Berliner Datenschutzaufsicht, da das Unternehmen erkläre, dass die "bisher offensichtlich untätige" französische Datenschutzaufsicht CNIL zuständig sei. Die Berliner Datenschutzaufsicht habe ebenfalls noch keine Bußgelder verhängt.

Doctolib weist darauf hin, dass die Zuständigkeit bei der französischen Datenschutzaufsicht CNIL liegt, wobei das One-Stop-Shop-Verfahren angewandt wird. "Wenn sich herausstellt, dass es um eine Funktionalität geht, die in allen Ländern im Einsatz ist, ist die CNIL federführend", erklärt eine Sprecherin. Dazu gehören etwa Buchungsverfahren. Während die CNIL alle grenzüberschreitenden Verarbeitungen übernehme, sei die Berliner Datenschutzbehörde die erste Anlaufstelle für Anfragen aus Deutschland, etwa von Mitarbeitenden, Kund:innen oder Patient:innen. Daraus ergebe sich "ein regelmäßiger Austausch mit dieser Behörde".

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Absatz mit Informationen von Doctolib ergänzt

Gegenüber heise online bestätigte eine Sprecherin der Berliner Datenschutzbehörde, dass bisher keine Bußgelder verhängt wurden. Sie erklärte außerdem: "Beschwerden im Zusammenhang mit solchen Abmahnschreiben der Doctolib GmbH liegen uns nicht vor." Es gebe auch keinen Austausch zwischen der BlnBDI und der Doctolib GmbH "in Form eines laufenden Beratungsprozesses".

Seit mehreren Jahren gehe die Behörde den Beschwerden von Bürgern gegen Doctolib nach und trete dazu an das Unternehmen heran. In einzelnen Fällen habe sie erreicht, dass das Unternehmen Defizite abstellte. "In zahlreichen Beschwerdevorgängen vertritt die Doctolib GmbH jedoch die Auffassung, dass die BlnBDI nicht zuständig sei, sondern die französische Datenschutzaufsichtsbehörde CNIL", bestätigte die Sprecherin Weicherts Vorwürfe. In diesen Fällen seien bislang noch keine Ergebnisse erzielt worden.

Bisher sei die Frage der Federführung gemäß der Datenschutz-Grundverordnung zwischen der CNIL und der BlnBDI ungeklärt, erklärt Weichert. Für ihn steht fest: "Doctolib sollte sich endlich mit unseren Vorwürfen konstruktiv auseinandersetzen und seine Datenverarbeitung auf ein rechtmäßiges Verfahren umstellen oder dieses einstellen."

(mack)