Datenschutzgipfel: Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz erst nach der Wahl

Beim Spitzengespräch zum Datenschutz in der Wirtschaft waren sich alle Beteiligten laut Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble einig, dass eine Grundlage zum Schutz von Arbeitnehmern vor Ausspähung nicht übers Knie zu brechen sei.

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Bei einem Spitzengespräch zum Datenschutz in der Wirtschaft waren sich alle Beteiligten laut Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble einig, dass eine gesonderte Regelung zum besseren Schutz von Arbeitnehmern vor Ausspähung nötig sei. Ein entsprechendes Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz dürfe aber nicht übers Knie gebrochen werden. "Es kann kein Schnellschuss sein", drängte der CDU-Politiker laut Agenturmeldungen nach dem "Datenschutzgipfel" mit Spitzenvertretern aus Industrie und Gewerkschaften sowie Kabinettskollegen am heutigen Montag auf ein seriöses Verfahren. Die Verabschiedung einer umfassenden Neuregelung sei daher erst nach den Bundestagswahlen im Herbst möglich. Mit den Vorarbeiten wolle die Bundesregierung aber noch in der auslaufenden Legislaturperiode beginnen.

Schäuble räumte ein, dass es zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern unterschiedliche Meinungen über die Notwendigkeit eines speziellen Datenschutzgesetzes für abhängig Beschäftigte gibt. Er selbst sehe dafür einen Bedarf, versicherte der Minister. Er werde mit dem Arbeitsministerium einen bereichsspezifischen Entwurf vorbereiten und die Initiative nicht auf den Sankt-Nimmerleinstag verschieben. Ein generelles Verbot massenhafter Datenabgleiche, wie sie die Deutsche Bahn angeblich zur Korruptionsbekämpfung durchführte, lehnte Schäuble ab. Zunächst solle in die laufende Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) eine Erläuterung eingebaut werden, dass die allgemeinen Vorschriften zur Sicherung der Privatsphäre auch für Mitarbeiter gelten. Die gesetzlichen Regelungen im Bereich der Bundesbeamten seien zudem bereits ausreichend geregelt.

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) erklärte, es müssten "klare Grenzen für die betriebliche Praxis" gezogen werden. In dem beabsichtigten Gesetz sollten Regelungslücken geschlossen werden etwa bei Videoüberwachung, dem Mitlesen von E-Mails, der Kontrolle des Internet am Arbeitsplatz oder beim Einsatz von Detektiven. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) bestand auf einer schnellen Prüfung schärferer Datenschutzregeln. Die Opposition kritisierte die Verzögerungen. Mit der Übereinkunft beweise die Bundesregierung, dass ihr die "Belange der Arbeitnehmer nicht wichtig" seien, monierte Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach sich für eine umgehende Regelung aus. Linken-Innenpolitikerin Petra Pau bedauerte, dass die Firmen "eine Schonfrist" bis zum Herbst erhalten würden. Dies sei eine Einladung, bestehende Lücken weiter zu nutzen.

Den Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar stimmte zuversichtlich, "dass weitgehende Übereinstimmung darüber erzielt werden konnte, den Datenschutz im Arbeitsverhältnis endlich gesetzlich zu regeln". Jetzt komme es darauf an, dass der gemeinsame Wille zügig umgesetzt werde. Schon beim aktuellen BDSG-Reformvorhaben könnte als erster Schritt eine verbesserte Zweckbindung des Umgangs mit Personaldaten festgelegt werden. Daten, die für das Arbeitsverhältnis erhoben werden, sollten grundsätzlich nicht für andere Zwecke verwendet werden dürfen. Darüber hinaus müsse eigenständig geregelt werden, dass eine Datenerhebung grundsätzlich offen beim Arbeitnehmer erfolge. Der Zugriff der Innenrevision auf Personaldaten bedarf klarer gesetzlicher Vorgaben, um verdachtslose Datenabgleiche zu vermeiden.

Da die Nutzung von Telefon, Internet und E-Mail aus dem Arbeitsleben nicht mehr wegzudenken sei, forderte Schaar zudem, Voraussetzungen zur beschäftigtenbezogenen Auswertung betrieblicher Kommunikationsmittel restriktiv und eindeutig festzulegen. Der Einsatz technischer Zugangs- und Überwachungssysteme etwa mit Videokameras oder Ortungssystemen sei nur nach klaren Regeln zulässig. Die Verwendung biometrischer Verfahren bedürfe dabei besonders enger Vorgaben. Auch Daten von Bewerbern müssten einer klaren Zweckbindung unterliegen. Verbesserte Datenschutzregeln seien etwa hinsichtlich des Fragerechts des Arbeitgebers und bei Einstellungstests – insbesondere im Hinblick auf sensible Daten etwa über den Gesundheitszustand – erforderlich. Nicht zuletzt seien Betriebs- und Personalräte und Datenschutzbeauftragte von Unternehmen und Behörden bei allen datenschutzrechtlich relevanten Entscheidungen "frühzeitig und umfassend" zu beteiligen.

Schleswig-Holsteins oberster Datenschützer Thilo Weichert schloss sich Schaars Forderungen an: "Es gibt vielfältige Techniken wie GPS, Internet und E-Mail, die gar nicht geregelt sind", sagte Weichert den Lübecker Nachrichten. Per Gesetz solle geregelt werden, dass für die Überwachung von Mitarbeitern ein konkreter Anfangsverdacht vorliegen muss. "Wenn man nur einen allgemeinen Verdacht hat und ihn konkretisieren will, dann müssen auf jeden Fall vorher der Betriebsrat, eventuell auch die Betroffenen informiert werden."

Nach dem Bundesrat, Datenschützern und Oppositionspolitikern hatten sich vor der Berliner Runde die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nachdrücklich für eine möglichst rasche Verabschiedung eines Arbeitnehmer-Datenschutzgesetzes ausgesprochen. Arbeitgeberverbände halten die bestehenden Regeln dagegen im Prinzip für ausreichend. Es gebe kein Grundsatzproblem mit dem Datenschutz in der deutschen Wirtschaft. (Stefan Krempl) / (cwo)