Forderungsstakkato zum Datenschutzgipfel

Unter anderem protestieren Gewerkschaften gegen "Geheimpolizei"-Methoden und Rasterfahndungen in Konzernen. Sie rufen nach einem speziellen Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz, von dem die Arbeitgeberseite wenig hält.

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Im Vorfeld eines erneuten Gipfels zum Datenschutz in der Wirtschaft, zu dem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am heutigen Montag Vertreter von Gewerkschaften, Unternehmen, Datenschützer sowie die für Wirtschaft beziehungsweise Arbeit zuständigen Kabinettskollegen Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Olaf Scholz (SPD) nach Berlin geladen hat, ist der Streit um ein gesondertes Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz in eine weitere Runde gegangen. Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, sprach sich in der ARD angesichts der Anwendung von "Geheimpolizei"-Methoden bei Konzernen wie der Deutschen Telekom oder der Bahn nachdrücklich für die rasche Verabschiedung einer entsprechenden Regelung aus. Eine "Rasterfahndung" gegen die Beschäftigten müsse ausgeschlossen werden.

Konkret plädierte Bsirske für ein generelles Verbot des Zugriffs auf personenbezogene Daten von Arbeitnehmern. Ausnahmen sollte es nur bei gezieltem Verdacht auf eine strafbare Handlung geben. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, äußerte sich im rbb-Inforadio ähnlich: "Wenn ein konkreter Korruptionsverdacht besteht, dann hat man die Staatsanwaltschaft und die Polizei einzuschalten und nicht selber Staatsanwalt und Polizist zu spielen." Das Gesetz müsse auch für Arbeitgeber Sicherheit schaffen, was sie dürfen und was nicht.

Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), hält das Einschreiten des Gesetzgebers dagegen für unnötig. Andernfalls würde die Korruptionsbekämpfung erschwert, monierte Göhner im Deutschlandfunk. Es gebe zwar offene Fragen, die geklärt werden müssen, wie etwa die Nutzung von Personaldaten innerhalb eines Unternehmens. Dies könnten aber im allgemeinen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) im Abschnitt für Arbeitsverhältnisse geklärt werden. Die Überwachungsfälle bei der Telekom bezeichnete Göhner zugleich als "bizarr". Es handle sich dabei aber nicht um ein "Grundsatzproblem für die deutsche Wirtschaft".

Innenpolitiker der großen Koalition zeigten sich plötzlich einig über eine rasche Erwiderung auf die jüngsten Datenschutzskandale bei Bahn und Telekom und machten sich gegenseitig Vorwürfe über Verzögerungen auf der Baustelle Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz. Sebastian Edathy, Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag (SPD), gab gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung", seiner Erwartung Ausdruck, dass die Spitzenrunde es nicht bei Ankündigungen belassen werde. Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), meinte gegenüber dem Blatt, dass noch vor der Bundestagswahl "gesetzliche Leitplanken für den richtigen Umgang mit Mitarbeiterdaten" aufgestellt werden müssten.

Schäuble selbst dämpfte die Aussichten auf eine baldige Inangriffnahme einer eigengesetzlichen weiten Bestimmung. "Gerade in großen Unternehmen ist die Gefahr von Korruption gegeben, und es ist die Pflicht der Unternehmen, dagegen vorzugehen", gab der Minister im "Tagesspiegel" zu bedenken. Zugleich empfahl er Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), über ein Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz "mit dem zuständigen SPD-Arbeitsminister zu sprechen".

Max Stadler, Innenpolitiker der FDP-Bundestagsfraktion, warf Schäuble dagegen im NDR jahrelange Tatenlosigkeit vor. Es bestehe dringender Handlungsbedarf noch in dieser Legislaturperiode, bestand der Liberale auf einem einheitliches Datenschutzgesetz für Arbeitnehmer. Unternehmen dürften nicht mehr Rechte gegenüber ihren Mitarbeitern haben, als die Staatsanwaltschaft gegenüber verdächtigen Bürgern. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Silke Stokar, hat bereits die Nase voll "von den Ankündigungen der großen Koalition". Seit Monaten lägen die Kabinettsentwürfe zum Datenschutz in den Fraktionen und nichts geschehe, "außer dass der Datenschutz in steter Regelmäßigkeit von der Tagesordnung des Innenausschusses abgesetzt wird". Bei Arbeitnehmer-Datenschutz hätten die Grünen schon im vergangenen Jahr einen umfassenden Antrag ins Parlament eingebracht.

Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC) fürchtet derweil, dass wohl erst nach der Bundestagswahl "mehr Schwung" in das Thema Datenschutz kommt. Die Forderungen nach einem eigenen Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz seien seit Jahren auf der politischen Agenda, erklärte die Sprecherin der Hackervereinigung gegenüber tagesschau.de. Unternehmer würden gegenüber ihren Mitarbeitern offenbar mittlerweile einen Generalverdacht an den Tag legen: "Da wird weiträumig observiert, intensiv technisch ausspioniert und insgesamt herrscht ein Klima des Misstrauens. Dem muss man gesetzlich entgegenwirken." Zuvor hatte bereits die Gewerkschaft der Polizei (GdP) beklagt, "dass sich die Privatwirtschaft erschreckende rechtsfreie Räume geschaffen hat".

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(Stefan Krempl) / (jk)