Der Streit um Linux im Bundestag geht munter weiter

Der SPD-Netzpolitiker Jörg Tauss wirft Microsoft massive Einflussnahme auf die parlamentarische Entscheidung des Ältestenrats vor.

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Die nicht enden wollende Schlacht der offenen Briefe im prestigeträchtigen Streit um das neue Betriebssystem des Bundestags geht in eine neue Runde. Nachdem Kurt Sibold, Chef von Microsoft Deutschland, vergangene Woche Stellung gegen die von Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen mitunterzeichn ete Pro-Linux-Petition "Bundestux" bezogen und seine Mitarbeiter vor anti-demokratischen Anfeindungen in Schutz genommen hatte, meldet sich nun zur Abwechslung einmal wieder der SPD-Netzpolitiker Jörg Tauss zu Wort: In einem offenen Brief an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der in Kürze auch auf der Homepage des Abgeordneten veröffentlich werden soll, wirft der Beauftragte für Neue Medien der SPD-Fraktion Microsoft vor allem "massive Einflussnahme" auf die parlamentarische Entscheidung für oder gegen Linux im Bundestag vor.

Generell habe die Wahl eines Softwareprodukts zwar zunächst nichts mit demokratietheoretischen Erwägungen zu tun, schreibt Tauss, der mit seiner Überlegung, den Bundestag zur "Microsoft-freien" Zone zu erklären, bereits im September für Wirbel gesorgt hatte. "Sachbezogene Kriterien" seien dabei "in Anschlag zu bringen". Microsoft selbst habe es allerdings mit diversen Lobbying- und PR-Aktivitäten auf eine "ideologische Unterstellungskampagne" abgesehen. Die reichten von dem Angebot, den Quellcode von proprietären Produkten zwar dem Bundestag zur Verfügung zu stellen, nicht aber dem auf Programm-Analysen spezialisierten Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, bis hin zur Streuung "kaum nachvollziehbaren Zahlenmaterials" hinsichtlich der tatsächlichen und verdeckten Kosten von Konkurrenzprodukten.

Die Linux-Alternative hält Tauss weiterhin aus "wettbewerbs- und standortpolitischer Sicht" für begrüßenswert, da sie die "technologische Monokultur" aufweiche. Die entscheidenden Argumente für Open Source, zu denen Tauss "deutlich höhere Potenziale in den Punkten IT-Sicherheit, Datensicherheit und Stabilität" zählt, hätten durchaus auch ein demokratisches Moment. Denn je mehr Wirtschaft, Bildung und Politik im Sinne von E-Government und E-Demokratie in den Netzen stattfände, desto zentraler würden derlei Gesichtspunkte. Eine "demokratische Pflicht", Open Source-Software einzusetzen, sieht Tauss entgegen der Bundestux-Petition zwar nicht direkt; "aber die wettbewerbspolitische, standortpolitische, haushaltspolitische und sicherheitspolitische Vernunft weist vermehrt in diese Richtung." (Stefan Krempl) / (odi)