Der Tablet PC hat Geburtstag

Ein Jahr nach der Vorstellung der ersten Tablet PCs haben Microsoft und Gerätehersteller ihre zunächst überzogenen Erwartungen der Realität angepasst.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 137 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Dr. Jürgen Rink

Am 7. November 2002 hat Bill Gates das Betriebssystem Windows XP Tablet PC Edition offiziell vorgestellt und einige Hersteller präsentiert, die damit ihre Geräte ausstatten. Ein Jahr später können die Anwender aus etwa einem Dutzend Tablet PCs wählen, nur wenige griffen jedoch tatsächlich zu: Im EMEA-Gebiet (Europa, Naher Osten, Afrika) konnten nur etwa 100.000 Geräte verkauft werden. Tablet PCs machen damit nicht einmal ein Prozent des Notebook-Markts aus. Noch schlimmer: Der Notebook-Markt boomt, doch im dritten Quartal 2003 wurden 20 Prozent weniger Tablet PCs verkauft als noch im vorigen Quartal.

Die Zahlen hat Canalys veröffentlicht und das Unternehmen macht auch gleich das fehlende Engagement von Microsoft und die Zurückhaltung von Notebook-Unternehmen wie Dell und IBM für das magere Ergebnis verantwortlich. Ein wichtiger Grund dürfte im Anwendungsbereich zu suchen sein: Die Hersteller vermarkten ihre Tablet PCs im Business-Bereich; Firmen halten sich mit Aufträgen derzeit noch zurück, zumal es sich um eine neue Plattform handelt. Der Kurzausflug von Acers Tablet PC in den Consumer-Markt liegt schon Monate zurück und blieb ohne Folgen.

Die herausragenden Merkmale der Windows XP Tablet PC Edition sind die leistungsstarke Handschrifterkennung und deren Integration ins Betriebs- und Dateisystem (Windows Journal, .jnt). Selbst Krakelschriften erkennt die Tablet PC Edition überzeugend, vorausgesetzt, die Sprachversion stimmt mit der der eingegebenen Handschrift überein. Eine Hand voll Anwendungen verschiedener Anbieter nutzen die Stifteingabe auf clevere Art. Tablet PCs empfehlen sich dort, wo der Schreibtisch fehlt, im Außendienst zum Beispiel. Wegen der Handschriftfunktion eignet sich diese Gerätekategorie auch für das schnelle Mitschreiben bei Meetings. Die Teilnehmer verschanzen sich nicht mehr hinter ihren Notebooks, sondern nutzen die Tablet PCs zusammengeklappt als elektronische Notizblöcke. Tablet PCs haben ein Touchscreen-Display, dessen sensitive Schicht hinter dem LCD liegt. Deshalb kann die Hand auf dem Display liegen, ohne dass der Cursor wild umhertanzt -- der wartet allein auf die Stifteingabe.

Den negativen Unterton, den man allenthalben hört, wenn von den wenigen verkauften Tablet PCs die Rede ist, hat Microsoft selbst mit überzogenen Erwartungen provoziert. Dabei kann die Plattform durchaus Erfolge aufweisen. Die Tablet PC Edition führte zu innovativen Gerätekonzepten, die Mobile Computing enorm erweitern. Die als Convertibles bezeichneten Geräte sind als normale Notebooks nutzbar. Sie haben jedoch ein drehbares Display, das mit der Panel-Seite nach oben auf die Tastatur geklappt wird und sind damit Notebook und Tablet in einem Gehäuse. Acer hat mit der Travelmate-Serie C100 Convertibles vorgestellt, Toshiba ist mit dem Portégé 3500 dabei. Daneben gibt es die reinen Tablet PCs, die keine Tastatur haben, sondern ausschießlich per Display bedient werden. Das Fujitsu Siemens Stylistic ist ein Beispiel für dieses Gerätekonzept, das auch als Slate bezeichnet wird.

Gemeinsam ist allen Modellen ihr kleines Display, das höchstens 12 Zoll Diagonale hat. Damit gehören die Geräte in die Kategorie Subnotebook, die nur zu einem kleinen Teil zum Notebook-Markt beiträgt. Dazu kommt, dass in den kleinen Geräten bislang Hardware steckt, deren Rechenleistung weit hinter der großer Notebooks hinterherhinkt. Kein Wunder also, dass die Tablet PCs den Notebook-Markt nicht im Sturm nahmen. Derzeit sind 30 Prozent der verkauften Geräte reine Tablets ohne Tastatur, der Rest teilt sich zur Hälfte auf in Convertibles und in Geräte mit abnehmbarer Tatatur wie dem HP Compaq TC1000.

Die Zukunft sieht besser aus. In den nächsten Wochen kommt eine neue Garde von Tablet PCs auf den Markt, die aktuelle Rechenleistung bietet, zum Teil mit größeren Panels aufwartet und WLAN integriert hat. Das Acer TravelMate C110 ist die Pentium-M-Variante (1 GHz) der C100-Serie. Als Centrino-Gerät hat es WLAN 802.11b an Board. Fujitsu-Siemens Computers folgt mit dem Convertible Lifebook T3010 (12-Zoll-Display, 1,4-GHz-Pentium-M). Panasonic hat mit dem Toughbook CF-18 ebenfalls einen Convertible vorgestellt, allerdings in einer sehr stabilen Ausführung ("ruggedized"). Das Display ist 10,4 Zoll klein. Auch HP und Motion Computing haben neue Geräte vorgestellt.

Acer weitet mit zwei weiteren Modellen das Einsatzgebiet der Tablet PC Edition aus. Das Travelmate C300 ist das erste Convertible mit 14-Zoll-Display und eignet sich allein wegen der Größe schon für Anwender, die Notebooks in Normalgröße bevorzugen. Das Travelmate 250P ist ein ganz normales Notebook, lediglich erweitert um ein Stift-bedienbares Display. Die Tablet-PC-Funktion bekommt man sozusagen zum Notebook dazu. Die Preise der Neulinge liegen zwischen 2000 und 2700 Euro und damit auf dem Niveau von Subnotebooks. Für das stabile Panasonic Toughbook CF-18 sind sogar etwa 3500 Euro fällig, dafür darf man das Gerät auch mal im Regen betreiben und es auch mal fallen lassen.

Pünktlich zum ersten Geburtstag hat Bill Gates anlässlich der Eröffnungsveranstaltung der Comdex eine neue Version der Tablet PC Edition für Mitte nächsten Jahres angekündigt. Sie soll die Stifteingaben weiter vereinfachen und die Erkennung verbessern. Für Tablet-PC-Besitzer soll das Update laut Gates kostenlos sein. (jr)