Deutsche Überwachungstechnik für Syrien

Siemens hat laut einem Fernsehbericht im Jahr 2000 Überwachungstechnik an Syrien verkauft. Schon die Ausschreibung lässt keinen Zweifel am Verwendungszweck zu.

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Von
  • Detlef Borchers

Siemens hat laut einem Fernsehbericht im Jahr 2000 Überwachungstechnik an Syrien verkauft. Der Netzwerkausrüster Nokia Siemens Networks, das Nachfolgeunternehmen der seinerzeit beteiligten Siemens-Sparte, hat dem Bericht des MDR-Magazins "Fakt" zufolge den Verkauf bestätigt.

1999 hatte die staatliche Telefongesellschaft Syrian Telecommuncation Establishment (STE) einen millionenschweren Ausrüstungsvertrag zum Aufbau eines Internet-Verbundes in Syrien ausgeschrieben. Damals nutzten nur rund 5000 Syrer das Internet, doch lagen der STE Berechnungen vor, dass spätestens 2005 rund 64.000 Internet-Nutzer zu erwarten seien.

In der von der Piratenpartei veröffentlichten Ausschreibung (PDF-Datei) ist schon in der Präambel klar davon die Rede, dass das zu installierende Internet vollständig überwacht werden sollte: Zu den Anforderungen gehört ein "elektronisches Überwachungs- und Kontrollsystem", mit dem der Staat jedes Datenpaket ohne Verzögerung für den Anwender überprüfen können müsse.

Auf Seite 19 der Ausschreibung wird die Einrichtung eines Monitoring Center beschrieben, das neben dem Online-Monitoring Kopien aller ein- und ausgehenden E-Mails anfertigen und diese in einer Datenbank ablegen soll. Diese Datenbank soll gemäß der Ausschreibung auch alle aufgerufenen Adressen speichern und als Grundlage für die Blockade unerwünschter Websites dienen. Das Monitoring Center soll überdies Internet-Chats überwachen und die Realnamen aller Teilnehmer mitspeichern können. Optional soll der Bieter ein System beschreiben, das in der Lage ist, jedwede verschlüsselte Kommunikation im Internet zu erkennen und zu blockieren.

Da Nokia Siemens Networks (NSN) gegenüber dem MDR-Magazin bestätigte, im Jahre 2000 das syrische Netz geliefert zu haben, geht die "Fakt"-Redaktion davon aus, dass die gewünschte Überwachungstechnik Bestandteil dieser Lieferung war. Das Monitoring Center soll heute von der NSN-Ausgründung Trovicor betreut werden, die ein Finanzinvestor übernommen hat.

Der "Fakt"-Bericht verweist zudem auf interne Abrechnungslisten der Aachener Firma Utimaco, aus denen hervorgehen soll, dass Utimaco noch 2005 die notwendigen Komponenten für eine Überwachungszentrale an Siemens geliefert hat. In den Abrechnungslisten sollen als Zielpartner der Komponenten "Siemens Syrien" und Syriatel aufgeführt sein. Syriatel ist die dominierende Mobilfunkfirma von Rami Makhlouf, einem Cousin von Staatschef Bashar al-Assad. Laut Fakt verweigerte Utimaco eine Auskunft zu seinen Endkunden, ebenso Trovicor, das nach Unterlagen der Redaktion das System installierte.

Als Utimaco im Jahr 2005 seine Komponenten lieferte, war das Syrien-Embargo der USA bereits in Kraft. Auch die Anti-Folter-Verordnung der EU trat in diesem Jahr in Kraft. Amnesty International bewertet die syrische Regierung seit den 1980er-Jahren als Folterregime. Ein syrischer Regimegegner erklärte gegenüber "Fakt", dass ihm bei Verhören Ausschnitte seiner Internet-Kommunikation vorgelegt worden seien. In der Fernsehsendung äußerte sich Mathias John, Rüstungsexperte von Amnesty: "Ich befürchte, dass die Überwachung des Internets durch die syrischen Sicherheitskräfte mit dazu führt, dass solche Leute inhaftiert werden und dann in dieses große Risiko laufen, auch gefoltert zu werden."

Das Problem der Technologielieferung an Staaten, die westliche Technik gegen die eigene Bevölkerung einsetzen, ist nicht neu – Siemens und Syrien sind kein Einzelfall. Auch das libysche Regime konnte auf importierte Technik zurückgreifen. Die Organisation Reporter ohne Grenzen führt eine lange Liste der "Feinde des Internets", auf der neben Ländern wie China, Iran, Kuba und Nordkorea seit 2011 auch Syrien steht.

Während es etwa gegen Nordkorea ein weitreichendes Embargo gibt, ist die Lage bei anderen Ländern weniger klar. Die Bundesregierung sieht allerdings keinen Handlungsbedarf und verwies in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Dezember auf geltende Regeln für die Ausfuhr von Gütern, die auch militärisch genutzt werden können. So habe man Nokia Siemens Networks den Export von Zensurtechnik in den Iran verboten.

Im vergangenen Dezember hatte US-Außenministerin Hillary Clinton die Technologiebranche aufgerufen, freiwillig auf Geschäfte mit autokratischen Regimen zu verzichten. Wer solche Produkte an Staaten wie den Iran oder Syrien liefere, müsse "wissen, dass sie benutzt werden, um Menschenrechte zu verletzen", hatte die Ministerin erklärt. (vbr)