Deutsche Umsetzung der EU-Urheber­rechtsrichtlinie führt Upload-Filter ein

Im August tritt die Urheberrechtsreform in Kraft. Einige Fragen bleiben allerdings offen, die Gerichte in den kommenden Jahren klären werden müssen.

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Upload-Filter und Artikel 13: EU-Rechtspolitiker befürworten Copyright-Reform

(Bild: gotphotos / shutterstock.com)

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Nun ist sie also unter Dach und Fach: Der Bundestag hat am 20. Mai die deutsche Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie beschlossen. CDU/CSU und SPD stimmten für den Entwurf, AfD, FDP und Linksfraktion dagegen, die Grünen enthielten sich. Die Reform hätte nach EU-Vorgaben eigentlich am 7. Juni in Kraft treten müssen. Weil sie aber erhebliche technische Maßnahmen bei einigen Unternehmen erfordern dürfte, wird sie erst am 1. August dieses Jahres wirksam.

Die Bundesregierung setzt mit dem neuen "Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz" (UrhDaG) im Kern den von der EU geforderten Paradigmenwechsel bei der Haftung für Urheberrechtsverstöße auf Plattformen um. In Deutschland konnten sich Anbieter, die fremde Inhalte weiterverbreiten, bislang auf das sogenannte "Haftungsprivileg" für Provider berufen (§ 10 Telemediengesetz), demzufolge die Haftung nur greift, wenn die Plattform über einen Verstoß informiert wurde.

Nach § 1 UrhDaG stehen nun UGC-Plattformen (User Generated Content) für sämtliche Inhalte, die sie zugänglich machen, urheberrechtlich in der Verantwortung. Die Veröffentlichung geschützter Werke (auch in fremden Inhalten) setzt nun den Erwerb einer Lizenz durch die UGC-Plattform voraus. Zumindest aber müssen die Plattformen gemäß § 4 UrhDaG "bestmögliche zumutbare Anstrengungen" unternehmen, um Verbreitungsrechte zu erwerben. Die Plattformen werden nicht umhinkommen, alle hochgeladenen Inhalte maschinell zu analysieren und algorithmenbasiert zu entscheiden, ob sie Inhalte vor der Veröffentlichung sperren.

Damit kommt es tatsächlich zu den umstrittenen Upload-Filtern. Allerdings stehen Beschwerdewege sowohl für Nutzer als auch für Rechteinhaber offen (siehe Abbildung). Die Rechteinhaber erhalten mit einem sogenannten "Red Button" ein Vetorecht, das die Plattformen zwingen soll, Inhalte auch entgegen der Filterentscheidung und vor einer manuellen Prüfung sofort zu sperren. Missbrauchen sie diesen Button, indem sie mehrfach falsche Angaben machen, können sie vom Meldesystem ausgeschlossen werden.

Welche UGC-Plattformen von dem Gesetz betroffen sind, wird aus dem Wortlaut nicht ganz klar. Laut § 2 UrhDaG geht es um "Diensteanbieter, deren Geschäftsmodell im Wesentlichen auf der Zugänglichmachung von Inhalten fußt, die von Dritten hochgeladen und zusätzlich vom Diensteanbieter organisiert sowie zum Zweck der Gewinnerzielung beworben werden". Sicher drin in der Haftung sind etwa YouTube, Instagram und TikTok. Bereits bei Facebook gehen die Meinungen auseinander, darüber werden wohl Gerichte entscheiden. Ausnahmen gelten beispielsweise für Wikipedia und GitHub. Außen vor sein dürften auch Webforen wie das von heise online, die nur Teil eines eigentlich anderen Geschäftsmodells sind.

In einem wichtigen Punkt hat der Rechtsausschuss des Bundestags interveniert und den Entwurf der Bundesregierung von Februar 2021 abgeändert: Die Übernahme von Teilen geschützter Werke in Karikaturen und Parodien (§ 51a UrhDaG) muss nicht wie ursprünglich vorgesehen durch einen "besonderen Zweck" gerechtfertigt sein. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff ließ langjährige Rechtsstreitigkeiten befürchten. Der Gesetzgeber ist damit der freien Netzkultur, die etwa Memes produziert, ein Stück entgegengekommen.

Neben Karikaturen und Parodien spricht das Gesetz auch von Pastiches (Nachahmungen), die ebenfalls explizit erlaubt bleiben. Allerdings ist bislang ungeklärt, was alles unter den Begriff des Pastiche fällt. Zwar führt der Gesetzgeber in seinen Erläuterungen unter anderem auch die Begriffe Remix und Sampling auf. Eine pauschale Erlaubnis zur Veröffentlichung von Musik-Remixen oder die Verwendung von Samples ohne Einwilligung der Urheber ergebe sich daraus aber nicht, wie Dr. Kai Welp, Jurist der Verwertungsgesellschaft GEMA, uns erläuterte: "Was im Bereich der Musik unter den Begriff des Pastiche fällt, muss der Europäische Gerichtshof klären." Bis eine solche Definition vorliege, könnten laut Dr. Welp aber noch viele Jahre vergehen.

Ähnlich sieht es Julia Reda, die im EU-Parlament maßgeblich an der EU-Richtlinie mitgearbeitet hat und nun die Aktivitäten der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) zum Urheberrecht koordiniert: "Früher oder später wird wahrscheinlich der Europäische Gerichtshof für die ganze EU verbindlich urteilen, was unter Pastiche zu verstehen ist. Das hat er in der Vergangenheit bereits für Parodien getan und in diesem Fall eine eher weite Auslegung genutzt."

Immerhin können Remixer ab dem 7. Juni nicht mehr für eventuelle Urheberrechtsverletzungen auf UGC-Plattformen juristisch belangt werden – zumindest solange sie nicht gewerblich handeln und der Plattformbetreiber eine passende Lizenz für Remixe erworben hat. Zudem müssen Urheber "angemessen" finanziell beteiligt werden, wenn ein Remix mit ihrem Ausgangsmaterial auf UGC-Plattformen Gewinne erzielt. Anders ist dies bei Plattformen, die keinen UGC anbieten, kritisiert Dr. Welp. "Die generell durch das Gesetz eingeführte Plattformhaftung verbessert unsere Verhandlungsposition gegenüber den Plattformbetreibern erheblich", zeigte sich Dr. Welp zufrieden. YouTube habe beispielsweise bislang "nur aus vermeintlich gutem Willen" – ohne die Haftung anzuerkennen – Lizenzverträge mit der GEMA abgeschlossen, künftig sei das Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet.

Fraglich ist, inwieweit Texter und Komponisten von zusätzlichen Einnahmen profitieren werden. Unklar ist etwa, ob die Plattformen eine Pauschale bezahlen oder über Algorithmen exakt ermitteln, welche Samples ein Beitrag enthält. Auf der sicheren Seite sind Uploader, wenn zitierte Ton- und Video-Ausschnitte unter 15 Sekunden lang sind (oder maximal halb so lang wie das Original, wenn dieses kürzer als 30 Sekunden ist). Dann müssen automatisierte Filter ihre Beiträge durchlassen und zum Stream anbieten – zumindest in Deutschland ("mutmaßlich erlaubte Nutzungen"). Wenn in anderen Ländern strengere Vorgaben gelten, könnte die Ausspielung dort allerdings blockiert werden.

Bei längeren Zitaten wird es juristisch schwierig: Dann muss von Fall zu Fall entschieden werden, ob es sich um eine legitime Parodie oder Pastiche handelt. Im Streitfall bleiben diese längeren Inhalte aber bis zur juristischen Klärung in Deutschland gesperrt – im Unterschied zu 15-Sekunden-Ausschnitten, die bei Beschwerden bis zur Klärung online bleiben. Dr. Welp betonte, dass die GEMA weder Sperrungen anordne noch ein Interesse an ihnen habe. Diese hängen davon ab, ob sich individuelle Rechteinhaber wie beispielsweise Musik-Label mit den Plattformbetreibern auf einen Lizenzvertrag einigen konnten.

(Bild: Bundesregierung)

Dem UrhDaG zufolge umfasst eine erlaubte Textnutzung ohne Lizenz gerade einmal 160 Zeichen. Dies dürfte in einigen Fällen nicht einmal genügen, um eine Überschrift komplett zu übernehmen. Außerdem führt eine Änderung im Urheberrechtsgesetz im Rahmen der Reform das Leistungsschutzrecht für Presseverleger fort. Google kündigte bereits an, bei der Umsetzung des Leistungsschutzrechts mit deutschen Verlagen zusammenarbeiten zu wollen, um eine Einigung über eine erweiterte Vorschau von Inhalten jenseits der "Snippet-Ausnahme" zu erreichen.

Facebook und Google haben – wohl im Vorgriff auf die Reform – ohnehin bereits umfangreiche Kooperationen mit Nachrichtenverlagen geschlossen, in deren Rahmen die Publisher den Internet-Konzernen Inhalte kostenpflichtig zur Verfügung stellen. Facebook fasst die zugelieferten Nachrichten in einem Bereich namens "Facebook News" zusammen. Hierzulande beteiligen sich 35 Verlage mit über 100 Medien daran, darunter der Zeitverlag, die Spiegel-Gruppe, die Funke Mediengruppe, Gruner+Jahr, zahlreiche regionale Medienpartner und auch Heise Medien. Axel Springer, bislang Facebook nicht wohlgesonnen, hat mit Facebook sogar eine globale Kooperation für das neue Angebot vereinbart.

An Googles neuem Nachrichtenangebot, Google News Showcase, beteiligen sich mehr als 30 Medienhäuser. Es ist als eigener Bereich in Google News integriert, sowohl in der App als auch auf dem Desktop. Die teilnehmenden Redaktionen können in sogenannten Story Panels mehrere der von ihnen bereitgestellten Artikel zusammenzufassen. Klickt der Nutzer auf eine Zusammenfassung, leitet Google News Showcase ihn zur Website des Mediums weiter. Leser können bestimmten Titeln folgen. Google News Showcase zeigt deren Artikel dann prominenter an. Um Publishern generell entgegenzukommen, hat Google eine neue alte Technik wiederentdeckt: RSS. In den kommenden Wochen werden einige Nutzer des Chrome-Browsers eine neue Schaltfläche zum Folgen einer Webseite erhalten. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als ein RSS-Reader.

c’t Ausgabe 13/2021

Windows-User kennen die Ermahnung, das Microsoft-Konto zu nutzen. Fluch und Segen dieses Kontos beleuchten wir in c’t 13/2021. Wir zeigen, wie Sie Internet-Ausfälle überbrücken, haben Mini-PCs fürs Homeoffice, Mainboards für Ryzen-CPUs, Tools für virtuelle Gruppenchats und diverse Android-Smartphones getestet und Infoquellen für Wertpapier-Anleger zusammengetragen. Ausgabe 13/2021 finden Sie ab dem 4. Juni im Heise-Shop und am gut sortierten Zeitschriftenkiosk.

(hob)