Die Dot.coms kommen wieder

Mit dem European Multimedia Accelerator wollen Verbände Startups und mittelständischen Firmen aus der Multimedia- und Internet-Branche ein Sprungbrett zur Expansion nach Ost und West bieten.

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Eine Handvoll europäischer Branchenverbände will die Expansion von Multimedia-Firmen in die USA sowie in die östlichen EU-Beitrittsländer und nach Fernost vorantreiben. Unter der Führung des European Multimedia Forums (EMF) haben Organisationen wie der Deutsche Multimediaverband (dmmv) sowie seine spanischen oder slowenischen Pendants den European Multimedia Accelerator (EMMA) ins Leben gerufen. Der EMMA ist eine virtuelle Einrichtung, die interessierten klein- und mittelständischen Unternehmen aus der Branche mit einem Netzwerk an Dienstleistungen, Experten und Beratern beim Sprung ins Ausland zur Seite stehen soll. Im Vordergrund steht dabei, die Expansionswilligen über Ansprechpartner vor Ort mit möglichen Kooperationsfirmen in Kontakt zu bringen und den Unternehmen virtuelle oder reale Schaufenster im Web beziehungsweise auf Fachmessen anzubieten.

"Wir wollen auch kleinen Firmen die Möglichkeit geben, das, was Großunternehmen aus ihrem Overhead bezahlen, mit Hilfe eines geförderten Overheads zu schaffen", erklärt Alexander Felsenberg, Geschäftsführer des dmmv, in bestem Denglisch. Soll heißen: Der EMMA soll bei kleineren Unternehmen die Abteilungen von Konzernen ersetzen, die sich rein um die Expansion kümmern. Europas Multimedia-Firmen hätten in ihrer Klasse eine gewisse Führungsposition erreicht, ergänzt Philippe Wacker, Generalsekretär des EMF. Es mangele ihnen aber an Fähigkeiten, ihre Dienstleistungen und Produkte im Ausland zu vermarkten. Diese will der EMMA, der innerhalb von 24 Monaten mit Hilfe von zwei Millionen Euro aus EU-Fördergeldern aufgebaut wurde, über Trainingskurse und Kooperationsangebote vermitteln. Dabei beurteilen die beteiligten Multimediaverbände zunächst die bei ihnen anklopfenden Unternehmen und testen in einem kostenlosen Auditverfahren, ob eine gewisse Expansionsreife vorhanden ist. Danach wird ein "Service-Paket" definiert und mit den Netzwerkpartnern im Zielmarkt umgesetzt. Zu den dafür anfallenden Kosten konnten die Verbandsexperten keine konkreten Zahlen nennen.

Angesichts des Zusammenbruchs der New Economy in den vergangenen drei Jahren stellt sich die Frage, ob Multimediafirmen im momentanen Überlebenskampf überhaupt die Eroberung ausländischer Märkte im Sinn haben -- zumal viele Internet-Startups eine zu rasche Expansion in Europa und den USA um Kopf und Kragen gebracht hat. Doch Felsenberg zufolge könnte das momentane Umfeld günstiger kaum sein: Inkubatoren und Acceleratoren seien zwar eigentlich ein Kind der 1990er, gibt er zu. Doch "die Dotcoms kommen wieder", und die Kinderkrankheiten der digitalen Ökonomie seien inzwischen eliminiert.

Erste Einblicke in eine repräsentative Umfrage, die der dmmv momentan bei über 20.000 deutschen Websites mit interaktiven Angeboten durchführe, würden zeigen, dass man damit "doch Geld verdienen kann". Die Branche "geht wieder ins Ausland", glaubt der Verbandschef. Vertreter der Berliner Firmen mediasquad und typocom bestätigten, dass sie angesichts des stagnierenden Markts in Deutschland Wachstumschancen vor allem in europäischen Nachbarländern und in den USA sehen.

Das erste Ziel, das der EMMA im Visier hat, ist denn auch Kalifornien. "Dort ist die Welle richtig zum Surfen", gab Felsenberg als Parole aus. Sehr niedrige Zinsen, ein "Super-Wechselkurs" und eine boomende Nachfrage böten "ideale Verhältnisse" für Geschäfte im Westen. Einen ersten Online-Führer dazu hat der EMMA unter www.check-in-USA.net ins Netz gestellt. In einem nächsten Schritt wollen die Beschleuniger einen Blick in die östlichen Beitrittsländer werfen, bevor -- ebenfalls noch in diesem Jahr -- Indien und China auf der Agenda stehen. Den offiziellen Start, der unter der Schirmherrschaft von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement steht, feiert die Branche am heutigen Dienstagabend wie in guten alten Zeiten mit einer großen Party im hippen Café Moskau in Berlin. (Stefan Krempl) / (jk)