"Die Feststoffraketen haben gezündet"

Drei Tage lang diskutierten Experten auf der Bremer Konferenz "To Moon and beyond" zukünftige Weltraummissionen. Mit dabei ein Mann, der vor 38 Jahren Geschichte schrieb: Apollo-11-Pilot Buzz Aldrin.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Vor 38 Jahren betrat der heute 77-jährige Buzz Aldrin als zweiter Mensch nach Neil Armstrong den Mond.

Die Zahl der Mondbewohner werde wohl immer begrenzt bleiben, glaubt Robert Laine. Anders ist es auf dem Mars mit seinen vielfältigen Ressourcen. Dort kann sich der Chefingenieur von EADS Astrium in Paris eher vorstellen, dass Forschungsstationen nach und nach zu Siedlungen und Städten wachsen. "Der Mond lädt nicht zum Bleiben ein – der Mars schon", unterstrich auch Apollo-11-Pilot Buzz Aldrin zu Beginn des Symposiums "To Moon and beyond". Doch die über 80 Teilnehmer aus 16 Ländern, die drei Tage lang in Bremen über zukünftige Weltraummissionen berieten, waren sich einig, dass der Weg zum Mars über den Mond führt.

Klar ist auch, dass es nicht mehr darum geht, Fahnen aufzustellen und Fußabdrücke zu fotografieren. Gefragt sind nachhaltige Konzepte für den Aufbau einer dauerhaften Weltrauminfrastruktur. "Jedes Verbindungsstück ist eine Erweiterung der Erde und dient der Unterstützung anderer Komponenten", sagt Ernesto Vallerani vom Politecnico di Torino. Für ihren Aufbau sei eine langfristige Vision erforderlich, um vom angestrebten Zustand in 50 Jahren rückwärts die auf dem Weg dorthin erforderlichen Schritte zu identifizieren.

Ideen dafür gab es reichlich in Bremen. Neben der Entwicklung geeigneter Transportsysteme ging es in vielen Vorträgen um die Nutzung außerirdischer Ressourcen. Mario Grasso vom Politecnico di Milano etwa präsentierte eine Software, mit der sich nicht nur die Sauerstoffproduktion aus Mondstaub simulieren lässt, sondern alle Komponenten einer Mondbasis. Anders lässt sich eine dauerhafte Präsenz von Menschen auf anderen Himmelskörpern nicht realisieren, da waren sich alle Konferenzteilnehmer einig.

Eine wichtige Ressource ist das Sonnenlicht. An den Mondpolen gibt es Regionen, wo es sich praktisch ununterbrochen zur Erzeugung von Strom nutzen lässt. Um diese Regionen besser nutzen zu können, stellte Kazuki Watanabe von der japanischen WEL Research Co. einen ausfahrbaren Turm vor, der am Mondnordpol errichtet werden soll, um mit seinen Solarzellen in 15 Meter Höhe die Energieversorgung einer Forschungsstation auch während der 14-tägigen Mondnacht zu gewährleisten. Naoko Hatanaka von der Universität Tokyo beschäftigte sich mit Baumaterialien: Aus den Rohstoffen auf dem Mond möchte sie Beton herstellen und als Strahlenschutz für Mondbasen verwenden.

Statt Beton lassen sich zum Bau von Forschungsstationen auch vorgefertigte Module verwenden. Olga Bannova, Architektur-Professorin an der University of Houston, beschäftigte sich damit, welche Art modularer Bausteine dafür am besten geeignet wäre. Dabei unterwarf sie sich realistischen Beschränkungen: Die einzelnen Module durften maximal 15 Tonnen wiegen, und mussten in einen Laderaum von 3,75 Meter Durchmesser und 12 Meter Länge passen. Automatische Landegeräte sollen sie mithilfe von Kabeln auf der Mondoberfläche absetzen und dann selbst an einer anderen Stelle landen, um möglichst wenig Staub aufzuwirbeln.

Selbst die Frage eines eigenen europäischen oder russisch-europäischen Systems für bemannte Raumfahrt scheint kein Tabu mehr zu sein. Bislang sind europäische Astronauten auf Mitflugmöglichkeiten bei den Russen oder Amerikanern angewiesen. Eine Abhängigkeit, die von vielen als schmerzlich empfunden wird und die dazu beiträgt, dass Europa nicht wirklich als vollwertiger Raumfahrtpartner anerkannt wird.

Bernhard Hufenbach vom ESA-Forschungszentrum ESTEC im niederländischen Noordwijk hält daher die im Jahr 2008 anstehende Entscheidung über das "Crew Space Transportation System" (CSTS) für die wichtigste, um Europa zu einem "Global Player" zu machen. Bislang beteiligt sich die ESA mit zwei Millionen Euro an der Entwicklung dieses russischen Systems, was zunächst kaum mehr als eine Absichtserklärung ist. Ernst Messerschmid, Astronaut und Professor für Weltraumsysteme an der Universität Stuttgart, unterstrich diesen Punkt auch noch einmal bei der abschließenden Pressekonferenz. Selbst die ebenfalls auf dem Podium vertretene Edelgard Bulmahn, die sich in ihrer Zeit als Forschungsministerin den Ruf einer "Astronautenfresserin" erworben hatte, widersprach nicht, sondern fragte: "Warum haben wir 1987 eigentlich den Bau der Raumstation beschlossen, statt gleich zum Mond zu fliegen?"

"Die Zeit ist reif", resümierte Manfred Fuchs, Chef der Bremer Raumfahrtfirma OHB Systems, das Ergebnis des Symposiums. Tatsächlich scheint die Raumfahrtgemeinde in Deutschland von einer Aufbruchsstimmung erfasst, die sich seit der Dresdner DLR-Konferenz zur Weltraumexploration vom vergangenen November noch verdichtet hat. Noch ist allerdings nichts entschieden. Wenn mit der Dresdner Konferenz das Haupttriebwerk gestartet wurde, dann haben jetzt die Feststoffraketen gezündet. Beim Space Shuttle ist das eine der gefährlichsten Phasen des Fluges. (Hans-Arthur Marsiske) / (pmz)