"Die Macht im Silicon Valley hat immer noch der Weiße Mann"

Zum dritten Mal seit 1979 und 1990 wurde jetzt eine Liste der 40 mächtigsten Personen in Silicon Valley erstellt. Befragt wurden dazu von den San Jose Mercury News Führungpersonen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.

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Von
  • Axel Vahldiek

Zum dritten Mal seit 1979 und 1990 wurde jetzt eine Liste der 40 mächtigsten Personen in Silicon Valley erstellt. Befragt wurden dazu von den San Jose Mercury News, einer der führenden Tageszeitungen im Silicon Valley, Führungpersonen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Befragten selbst erstellten die Liste der mächtigsten Persönlichkeiten.

Unter den Top Ten sind neben dem einzigen Politiker Ron Gonzales, dem Bürgermeister von San Jose, mehrere Chefs großer High-Tech-Firmen vertreten. Dabei handelt es sich um Craig Barret (Intel), John Chambers (Cisco), Carl Guardino (Silicon Valley Manufacturing Group), Scott McNealy (Sun Microsystems) sowie Jim Morgan (Applied Materials). Außerdem ist noch der ehemalige Chef von Hewlett-Packard, Lew Platt, in der Liste vertreten.

Ebenfalls der High-Tech-Branche zuzurechnen ist John Doerr, ein Venture-Kapitalist bei Kleiner Perkins Caufield & Byers. Ihm sagen die Befragten nach, dass er in der Lage sei, Probleme, die in Silicon Valley auf der Tagesordnung stehen, auf die Agenda ganz Amerikas zu setzen. Er sei der direkte Draht von Silicon Valley nach Washington.

Zuletzt sind noch der Herausgeber der Mercury News selbst, Jay Harris, und der Chef von Knight Ridder, Tony Ridder, unter den Top Ten der einflussreichsten Persönlichkeiten zu finden. Knight Ridder verlegt die Mercury News.

Wirtschaft statt Politik

Der hohe Anteil an Chefs aus der High-Tech-Branche unterscheidet die jetzt veröffentlichte Untersuchung von der des Jahres 1990. Während heute von den 40 Mächtigen 20 Chefs von High-Tech-Unternehmen sind, waren es vor 10 Jahren gerade einmal sechs, und nur einer schaffte es seinerzeit in die Top Ten: David Packard, Mitbegründer von Hewlett-Packard.

Damit offenbart die Untersuchung einen dramatischen Wechsel der Macht im Silicon Valley: Die Politiker haben zugunsten der Industrie verloren. Auch die Art des Machterhalts hat sich geändert. Während die Politker in den vorangegangen Untersuchungen vor allem deshalb über Einfluss verfügten, weil sie Teil von mächtigen Netzwerken waren, stehen hinter den Firmenchefs von heute keine Beziehugnsnetze mehr. Stattdessen stützen sie sich auf die Macht der eigenen Firmen.

In der Liste mit den zehn wichigsten Personen ist diesmal keine Frau mehr dabei, obwohl der Anteil der Frauen unter den 40 Mächtigen mit 13 noch nie so hoch war. In den beiden vorangegangen Untersuchungen war jeweils eine Frau unter den Top Ten. Insgesamt aber ist der Anteil der Frauen unter den 40 mächtigsten Persönlichkeiten weiter gestiegen: Während bei der ersten Befragung 1979 gerade einmal zwei Frauen unter der ersten 40 waren, konnten sich 1990 bereits 9 Frauen in die Liste eintragen.

Dass die Frauen aus den Top-Ten verschwunden sind, dürfte auch mit den geänderten Machtverhältnissen im Valley zusammenhängen: Gerade einmal vier der dreizehn vertretenen Frauen kommen aus der Wirtschaft, der Großteil hingegen kommt aus der Politik, die ja Macht an die Wirtschaft abgeben mußte.

Carly Fiorina, Chefin von Hewlett-Packard und nur knapp nicht unter den ersten Zehn gelandet, glaubt, dass der Frauenanteil an den einflussreichsten Personen im Silicon Valley weiter steigen wird. Gerade bei den jungen Startup-Unternehmen hätten Frauen viel größere Chancen, Karriere zu machen, als bei den traditionell geführten alteingesessenen Unternehmen.

95 Prozent Weiße

Der Minderheiten-Anteil unter den ersten Zehn ist in diesem Jahr gestiegen: Während in den bisherigen Untersuchungen Norm Mineta, ein Mitglied des amerikanischen Repräsentantenhauses japanischer Herkunft, der einzige Angehörige einer Bevölkerungsminderheit in der Gruppe der zehn Mächtigsten war, sind jetzt der Lateinamerikaner Ron Gonzales, dem Bürgermeister von San Jose, und der Schwarze Jay Harris, Herausgeber der Mercury News, zwei in den Top Ten. Allerdings sind diese beiden auch die einzigen Nicht-Weißen unter den 40 mächtigsten Personen im Valley.

Trotz des Rufes des Valley, eine reine Leistunsggesellschaft zu sein, ist der Anteil der Weißen unter den Top 40 weiterhin also sehr hoch. Hier zeigen sich Parallelen zur weltweiten Verteilung des Zugangs zum Internet. David Chao, ein Venture-Kapitalist asiatischer Herkunft, schiebt dies auf die vorhandenen Vorurteilen gegenüber Nicht-Weißen. So würde beispielsweise bei der Auswahl neuer Firmenchefs stark darauf geachtet, dass sie bestimmte Charaktereigenschaften aufweisen, unter andem Entschlossenheit und Durchsetzungsvermögen. Asiaten würde aber laut Chao der Ruf anhängen, passiv, nicht gerade konfliktfreudig und damit nicht als Führungspersönlichkeit geeignet zu sein. Er selbst würde mehr Asiaten in der Liste der 40 sehen, zum Beispiel Jerry Yang, Gründer von Yahoo.

Victor Garza, ein Aktivist aus San Joses Latino-Gemeinde, hat eine andere Erklärung für die fast durchgehend weiße Besetzung der Liste. Ihm zufolge wird bei einer solchen Untersuchung gar nicht die Macht der einzelnen Personen untersucht, sondern lediglich die Macht der Institutionen, die hinter diesen Führunsgpersönlichkeiten stehen. Wenn statt dessen die Persönlichkeit eines Menschen und der Respekt, der ihm entgegengebracht wird, gewertet würde, hätte die Liste ein anderes Aussehen.

S. Keshav, ein junger, aus Indien stammender Unternehmer, machte die Erfahrung, dass hinter allen Türen, an die er auf der Suche nach Kapital im Silicon Valley geklopft hat, ihn weiße Gesichter empfangen hätten. Er kommt zu einer einfachen Schlußfolgerung: "Die Macht im Valley hat immer noch der Weiße Mann". (axv)