Die "New Economy" geht in Kiel vor Anker

Die alte Rüstungsschmiede Kiel mausert sich zu einem Mekka für die neuen Technologien.

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Von
  • Wolfgang Schmidt
  • dpa

Die alte Rüstungsschmiede Kiel mausert sich zu einem Mekka für die neuen Technologien: Die Werft- und Hafenstadt, deren industrielles Antlitz jahrzehntelang vorwiegend mit dem Bau von Marineschiffen, Frachtern und Panzern verbunden war, hat den Durchbruch ins Internet-Zeitalter geschafft. Direct-Banking, Internet-Angebote und elektronischer Handel sind die Geschäftsfelder, die am Förde-Ufer "festmachen". Ein Multimedia-Campus kommt hinzu – und das alles in bester Nachbarschaft zu einer Werft wie HDW. Die ist zwar traditionsbeladen, mit ihren Fähren und U-Booten aber längst auf High-Tech-Kurs.

Mit 700 Software-Unternehmen sei die Hälfte der Zukunftsbranchen in Schleswig-Holstein im Großraum Kiel konzentriert, sagt der Geschäftsführer der Kieler Wirtschaftsförderung, Finn Duggen. 9.000 Beschäftigte dort sind deutlich mehr, als im Schiffbau übrig blieben. Über vier Jahre lang habe man intensiv am Aufbruch zu neuen Ufern mitgearbeitet, jetzt könne man die Ernte einfahren, freut sich Duggen. Zuvor hatte die Stadt einige Rückschläge in traditionellen Sektoren mit teils drastischem Personalabbau verkraften müssen. Die Wirtschaftsförderer verweisen jetzt auf den Mix, den die kapitalkräftigen Zugnummern unter den neuen Investoren in Kiel verkörpern: MobilCom-Chef Gerhard Schmid steht für Telekommunikation und Internet, ISION macht Management komplexer Internetseiten, Portalen und Lösungen für den elektronischen Handel, und die Comdirect-Bank betreibt Online-Banking.

Allein diese drei Unternehmen investieren mehrere hundert Millionen Mark rund um die Hörn am Ende der Förde. Zu dem Komplex gehört auch die frühere Schiffbau-"Halle 400", in der sich bereits seit längerem ein privater Rundfunksender und junge Unternehmen aus Werbung und Telekommunikation niedergelassen haben. Als "Sahnehäubchen" kommt Schleswig-Holsteins Multimedia-Campus hinzu, in dem Führungs- und Fachkräfte im IT-Bereich qualifiziert werden und in einem Gründerzentrum gleich ein Startup unterbringen können. Außerdem klappt die Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Einrichtungen.

Die Wirtschaftsförderer haben in Kiel ein früher ungekanntes Tempo vorgelegt: Verhandlungszyklen von vier bis sechs Wochen vom ersten Kontakt bis zum Abschluss nennt Duggen. Auch die Behörden seien viel schneller geworden. So reichten bei Genehmigungen für gewerbliche Bauten jetzt vier Wochen, nachdem dies früher auch schon einmal ein halbes Jahr gedauert habe. Auch der relativ zügig über die Bühne gebrachte Verkauf von 51 Prozent Anteilen der Stadtwerke an den weltweit tätigen Konzern TXU belegt das Umdenken.

"Kiel hat den Strukturwandel als Chance begriffen und rüstet sich für die Zukunft", sagt Oberbürgermeister Norbert Gansel. "Die Stadt befindet sich in einer Aufbruchstimmung: Es wird gebaut und investiert wie selten, die Arbeitslosigkeit sinkt überproportional." Wichtig ist dabei für den OB, dass nicht nur die "New Economy" und der Dienstleistungssektor kräftig zulegen, sondern dass auch "alte" Industrien wie Schiff- und Maschinenbau zum Teil in weltweiten Kooperationen und Allianzen ihre Zukunftsmärkte gefunden hätten. (Wolfgang Schmidt, dpa) (jk)