Die Steckdose als Tor zum Internet

Ascom möchte die Steckdose neu erfinden: Strom ist Kommunikation, sagen sich die Berner, und steigen in die Vermarktung von Powerline ein.

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Von
  • Christiane Oelrich
  • dpa

Der Schweizer Technologiekonzern Ascom möchte die Steckdose neu erfinden: Strom ist Kommunikation, sagen sich die Berner, und steigen in die Vermarktung der Technologie für den Daten-, Bilder- und Sprachaustausch über herkömmliche Stromleitungen ein. Mit Hilfe der Powerline-Geräte kommt aus der Steckdose jedoch nicht nur wie beim Babyphone das Geschrei der Kleinsten aus dem Nachbarzimmer. Die Stromvernetzung wird mit der patentierten Schweizer Technologie zum Tor zur ganzen Welt – dank digitaler Nachrichtentechnik ohne die beim Babyphone üblichen Störungen.

Telefonieren, Faxen und Surfen im Internet durch die Steckdose werden möglich, ohne sich bei den Telekom-Firmen anzumelden. Dazu kommen Fernsteuerung von Haushaltsgeräten wie Heizungen, Licht- oder Alarmanlagen und Überwachungsmöglichkeiten wie mit dem alten Babyphone. Die Übertragung sei bis zu 20 mal schneller als bei einer ISDN-Leitung, sagt Ascom-Sprecher Andre Simmen. Die Ascom ist nach eigenen Angaben auf dem Gebiet so weit wie kein anderer. Als erste wollen sie auf der CeBIT im nächsten Frühjahr ihre serienreifen Geräte vorstellen.

Insgesamt laufen weltweit 15 Feldversuche, darunter in Essen zusammen mit dem Stromlieferanten RWE. Dort sind rund 100 Ein- und Mehrfamilienhäuser und eine Schule mit dem Schweizer Equipment ausgestattet. "Deutschland ist eines der ersten Länder, in denen Powerline im großen Stil eingeführt wird", sagt Simmen. Nach Angaben von RWE soll der Stromanschluss zum Datenhighway ab Frühjahr möglich sein. Dass Ascom nach dem vielversprechenden Versuch in Essen dabei die Nase vorn hat, ist noch nicht offiziell, liegt aber auf der Hand.

Ascom ist ein Lieferant von Telekommunikationsausrüstungen. Ihre Kunden sieht sie in erster Linie in den großen Elektrizitätsgesellschaften. Die stellen die Verbindung der Trafostationen mit dem weltweiten Kommunikationsnetz her, die Verbindung zur Steckdose läuft dann über die Stromleitung. Für die Datenübertragung werden zusätzliche höhere Frequenzen genutzt. Im Haus sind lediglich Adapter nötig, um die Daten herauszufiltern.

Mit dem Powerline-System von Ascom können Energieversorger ihren Kunden in Zeiten fallender Strompreise ganz neue Leistungen bieten, sagt Simmen, das Online-Ablesen der Stromzähler und das Verschicken der Abrechnung per E-Mail inbegriffen. Über das Stromnetz wäre jeder permanent im Netz, ohne sich über die Telefonleitung immer wieder einwählen zu müssen. Bei Stromausfall wird's allerdings auch auf den Kommunikationskanälen still. Besonders in Ländern, in denen es an stabilen und schnellen Telefonleitungen hapert, soll die neue Technologie nach den Vorstellungen der Schweizer die Internet-Nutzung vorantreiben.

Die Ascom ist zwar weltweit zweitgrößter Hersteller von Fahrscheinautomaten und in Europa Marktführer bei ISDN-Terminals, als Technologiekonzern mit einem Umsatz von zwei Milliarden Euro und 10.000 Mitarbeitern allerdings international ein vergleichsweise kleiner Fisch. Im Powerline-Bereich will Ascom zu den ganz großen der Branche werden. Das Unternehmen sieht riesiges Marktpotenzial: 120 Millionen Haushalte in Westeuropa, 246 Millionen Haushalte in Asien.

Für Deutschland müssen RWE und Ascom sowie alle anderen Konzerne, die mit Powerline starten wollen, aber noch einige Hürden überwinden: Insbesondere die teilweise heftigen Störabstrahlungen der verschiedenen Powerline-Modems verhinderten bisher den öffentlichen Betrieb, da die Stromleitungen Frequenzen abstrahlen, die etablierte Funkdienste mit zugewiesenen Frequenzspektren stören. Die Betriebsgenehmigung auch für Powerline-Techniken erteilt in Deutschland die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP). Und die steht bislang noch aus. (Christiane Oelrich, dpa) / (jk)