Surf-Anschlüsse aus der Steckdose lassen auf sich warten

Normale Stromleitungen könnte man zum Telefonieren und Surfen verwenden – wenn es die Hersteller schaffen würden, die regulatorischen Bedingungen einzuhalten.

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Normale Strom-Steckdosen sollen schon bald zum Telefonieren und Surfen im Internet genutzt werden können. Der Münchener Konzern Siemens vermeldet nun stolz, ein weiteres Powerline-Pilotprojekt gestartet zu haben: Nachdem man zum Beispiel mit den Energieversorgern EnBW und GEW schon Feldversuche in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen betreibt, und sogar in Ungarn ein Pilotprojekt mit Siemens-Technik läuft, setzen die Münchener nun mit einem Testlauf in Göttingen noch eins drauf. Partner in Göttingen ist der Kasseler Energieversorger Energie-Aktiengesellschaft Mitteldeutschland (EAM).

Bei der Vorführung über eine 300 Meter lange Strecke waren die Telefongespräche gut zu verstehen, meldet die Nachrichtenagentur dpa. Auch Bilder und Radioprogramme seien störungsfrei über das Stromnetz übertragen worden. An den Versuchen, die bis Weihnachten fortgesetzt werden sollen, sind neben der EAM-Tochter EAM-Line und Siemens, die Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung Göttingen und die Göttinger Universität beteiligt. Die EAM versorgt in Niedersachsen, Thüringen und Hessen rund 500.000 Haushalte mit Strom.

Siemens rechnet nach Angaben der Unternehmenssprecherin Alexa Wust damit, dass die Technik und die dafür notwendigen Geräte in den kommenden Monaten noch erheblich verkleinert werden. Das Eingangsgerät, das an den Strom-Hausanschluss angeschlossen wird, ist noch koffergroß. Das jetzt noch benutzte kleinere Modem vor dem Telefon oder Laptop könne künftig gleich in die Endgeräte eingebaut werden. Das neue System soll bereits vom Herbst des kommenden Jahres an serienreif sein, teilte die Sprecherin bei der Vorstellung mit.

Die optimistisch klingende Ankündigung besagt aber nichts darüber, ob die Produkte jemals im öffentlichen Betrieb eingesetzt werden dürfen, denn bislang fehlt Siemens eine Zulassung für seine Powerline-Übertragungstechnik. Siemens kann zwar als Pluspunkt vermerken, dass das eigene Verfahren gewisse Rahmenbedingungen erfüllt, die das europäische Normeninstitut ETSI vor einiger Zeit festklopfte, doch diese Konformität dürfte kaum das Papier Wert sein, auf dem sie gedruckt ist: Die Betriebsgenehmigung erteilt in Deutschland die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP). Beobachtern zufolge sei beim gegenwärtigen Stand der Siemens-Technik nicht mit einer Zulassung zu rechnen. Als Ursache dafür sehen Fachleute die zu hohe Störabstrahlung des gewählten Verfahrens an, die die aktuellen Grenzwerte, welche wiederum die RegTP festgelegt hat, überschreitet.

Andere Powerline-Techniken, etwa vom Berliner Unternehmen Conaxion oder von der israelischen Firma Itran, sind bei ähnlichen Geschwindigkeiten – derzeit zwischen 1 und 3 MBit/s – deutlich "leiser", weshalb sie andere Dienste, die im gleichen Frequenzband senden, nicht stören. (dz)