Die Zukunft der WIPO und das Geistige Eigentum: "Menschheit am Scheideweg"

In ihrer Situationsbeschreibung gehen Organisatoren der Konferenz zur Zukunft der World Intellectual Property Organisation schonungslos mit den immer rigideren Regimen zum Schutz des Geistigen Eigentums ins Gericht.

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Von
  • Monika Ermert

"Die Menschheit steht an einem Scheideweg, vor Alternativen unseres moralischen Codes und dem Test, ob wir anpassungs- und entwicklungsfähig sind. Werden wir die besten neuen Ideen herausfinden, von ihnen lernen und profitieren, oder werden wir in einer höchst einfallslosen Weise all diese Ideen zu Gunsten eines intellektuell schwachen, aber ideologisch rigiden und manchmal brutal unfairen Regelwerks aufgeben?" Diese starken Worte veröffentlichen jetzt die Organisatoren der Konferenz zur Zukunft der World Intellectual Property Organisation (WIPO). Von der Zukunft der WIPO hänge viel ab, schreiben die fast hundert Erstunterzeichner. Die Wissenschaftler und Bürgerrechtler aus aller Welt rufen weitere Organisationen und Personen auf, sich der Erklärung anzuschließen.

In ihrer Situationsbeschreibung geht die Erklärung schonungslos mit den immer rigideren Regimen zum Schutz des Geistigen Eigentums (Intellectual Property, IP) ins Gericht. Man stehe vor einer Krise durch den fehlenden Zugang zu existenziell notwendigem medizinischen Wissen, durch "moralisch verwerfliche" Unterschiede beim Zugang zu Wissen und Technologie und durch wettbewerbswidrige Praktiken in der Wissensindustrie. Diese erlegten Konsumenten enorme Kosten auf und schützten dabei die Kreativen nicht wirklich. Güter, die der Gesellschaft als Ganzes gehören, würden der Öffentlichkeit zur Befriedigung von Privatinteressen entzogen; der öffentliche Raum werde abgeriegelt, so das Fazit der Unterzeichner.

Die WIPO habe ihren Anteil daran, indem sie zur Ausbreitung von Monopolkulturen beigetragen habe. Sie müsse sich daher dringend ändern, die verschiedenen Ansprüche besser ausbalancieren und globale Regeln nur unter der Bedingung verabschieden, dass sie wirklich allen -- und nicht einigen wenigen -- dienlich sind. Bereits bei der Konferenz in der vergangenen Woche in Genf hatte ein Podiumsgast die WIPO-Beamten aufgefordert, sich als "Diener der Weltöffentlichkeit" zu verstehen.

Die Autoren unterstützen außerdem den Vorschlag von lateinamerikanischen Ländern, die von der kommende Woche an tagenden WIPO-Generalversammlung eine neue entwicklungspolitische Ausrichtung der Organisation fordern. Laufende Verhandlungen zu neuen Verträgen, etwa über die Ausweitung der Rechte von Sendeanstalten an ihrem Material, sollten gestoppt und stattdessen ein völkerrechtlicher Vertrag über den Zugang zu Wissen und Technologie ausgehandelt werden. Den Entwicklungsländern sollten vor allem die volle Nutzung flexibler Regelungen im TRIPS-Abkommen (Trade related Aspects of Intellectual Property Rights) der Welthandelsorganisation WTO eröffnet werden, etwa die in der so genannten Doha-Erklärung verabredeten Erleichterungen für den Zugang zu medizinischem Wissen.

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(Monika Ermert) / (jk)