Digital Life Design: Leben ist auch nur eine Information

Mit einer Diskussion zwischen dem Genforscher Craig Venter und dem Evolutionsbiologen und Religionskritiker Richard Dawkins erreichte der Kongress Digital Life Design seinen Höhepunkt. Tags darauf zeigte das Panel "DNA to go", wohin die Reise geht.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Wenn Menschen keine Scheu mehr haben, in sozialen Netzwerken intime Details aus ihrem Leben zu veröffentlichen, so werden sie auch kein Problem damit haben, genetische und medizinische Informationen online zu stellen. Dies ist die grundlegende Idee der im November gestarteten Firma 23andMe, eine Art genetischer Suchmaschine, die nun auch nach Europa kommt. Sie versteht sich als "Empowerment Engine" für Jedermann, der sich mit seinen Genen und denen seiner Verwandschaft beschäftigen will. Wie die Gründerinnen Anne Wojcicki und Linda Avey bei der Vorstellung auf dem Panel "DNA to go" der Konferenz Digital Life Desgin betonten, sind genetische Informationen eben genau das: Informationen, mit denen man etwas anfangen kann. Was mit 23andMe möglich ist, demonstrierte Esther Dyson, Verfasserin von Release 2.1, die die Geninformationen ihrer Sippe in das System eingespielt hat. "Wenn Defekte in der Familie sind, wissen wir wenigstens Bescheid", soll ihr Vater, der Wissenschaftler Freeman Dyson, gesagt haben. Solchermaßen prominent unterstützt, haben es die Macherinnen von 23andMe leicht, datenschutzmäßige Bedenken gegen die Veröffentlichung von Gentest (z. B. Vaterschaftstests) zu verneinen. Es ist alles freiwillig und billig, denn das Geschäftsmodell basiert darauf, die Gendaten auch der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen.

Zwei Wissenschaftler hatten zuvor in einem "Streitgespräch um die Zukunft des Lebens" über die Gentechnik gestritten. Dabei stellte sich schnell heraus, dass Craig Venter, Entschlüsseler des menschlichen Genoms, und der Evolutionsbiologe Richard Dawkins in ihren Positionen gar nicht so weit voneinander entfernt sind. Dawkins begann die Debatte mit einem vom Blackberry abgelesenen Zitat des britischen Medizinhistorikers Charles Singer. Dieser hatte 1930 behauptet, dass die restlose Dekonstruktion des Menschen falsch sei, weil sie das Menschsein selbst zerstöre. Er stellte Venter als Vertreter einer fehlgeleiteten Biologie hin. Venter störte sich nicht an dem Vorwurf, sondern holte sich die Zustimmung von Dawkins, dass ein Genom "reine Information" ist.

Für Venter hat die Biologie mit der Entschlüsselung des Genom das Stadium der digitalen Design-Phase erreicht. Nun müssten die Menschen biologische Maschinen bauen, die wirklich helfen können, anstehende Probleme zu lösen. Als Beispiel nannte Venter Bakterien, die Kohlenstoff aus beliebigen Substanzen herauslösen und in Treibstoff umwandeln können, damit das Ölpreis-Diktat brechend. Weiter schwärmte der Forscher, der derzeit vom Konzern BP bezahlt wird, von Bakterien, die den auf den Weltmeeren treibenden Plastikmüll ("eine kriminelle Verschmutzung schlimmer als Atommüll") fressen könnten.

Während Dawkins in der biogenetischen Ingenieurssicht von Venter das Ende der Menschheit kommen sah, erklärte dieser trocken, dass doch die Menschheit die Chance habe, ihre genetischen Code als Information in das Weltall zu schicken, auf dass eine intelligente Spezies in anderen Galaxien den Menschen reproduzieren könne: "Wir können Leben als digitale Information durch das Universum transportieren, das am anderen Ende wieder in Leben verwandelt werden kann", erklärte Venter seine Variante der technologischen Singularität. Er warf dem Memetiker Dawkins, der zuletzt eine Abrechnung mit allen großen Weltreligionen veröffentlich hatte, vor, Gott spielen zu wollen. Im Gegenzug bezeichnete Dawkins die von Venter propagierten biologischen Maschinen als Teufels Küche. Vom Publikum befragt, ob der Mensch eine Seele habe, mussten beide passen. Dawkins bezeichnete die Seele als eine Form der Hirnaktivität, während Venter trocken erklärte, keine Gensequenz von ihr gefunden zu haben.

Zum Kongress Digital Life Design siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)