Digital Networks Act: Bundesregierung mit starken Bedenken

Nachdem die Pläne für eine Kostenbeteiligung von Big Tech gescheitert sind, setzte EU-Kommissar Breton auf den DNA. Die Bundesregierung wirkt nicht begeistert.

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Thierry Breton am 3. Oktober 2023 in Brüssel. ​

Thierry Breton am 3. Oktober 2023 in Brüssel.

(Bild: EU-Kommission/Valentine Zeler)

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Der von EU-Digitalkommissar Thierry Breton vorgeschlagene Digital Networks Act (DNA) stößt in Berlin auf wenig Gegenliebe. Im ersten Quartal 2024 will Breton seine Pläne konkretisieren, erste Ideen hat er in der vergangenen Woche vorgestellt. Das in Deutschland zuständige Ministerium für Digitales und Verkehr spricht von "hohen Hürden für Markteingriffe" und will die Vorschläge gründlich prüfen. Begeisterung klingt anders.

Zwar blieben Bretons Vorschläge an vielen Stellen noch unpräzise, doch schon heute ist klar, wohin die Reise gehen soll. "Wir sind der größte Markt, der zugleich die größte Demokratie ist", erläuterte Breton vergangene Woche in Brüssel. Mit der Vielzahl an Digitalgesetzen – Digital Markets Act, Digital Services Act, Data Governance Act, Data Act, AI Act – habe man einen kohärenten Rahmen für Ordnung im digitalen Raum geschaffen. Was noch fehle, sei eine zukunftssichere Infrastruktur.

"Der Vorschlag eines paneuropäischen Telekommunikationsmarktes mit einigen wenigen Anbietern ist eingehend zu prüfen", erklärte ein BMDV-Sprecher gegenüber heise online. Es gebe in Deutschland eine Vielzahl an Anbietern. "Für Markteingriffe gelten grundsätzlich hohe Hürden und sie sind nur durch ein Marktversagen gerechtfertigt. Daher sollten etwaige Regulierungsvorhaben gründlich geprüft und im Hinblick auf ihre möglichen Folgen untersucht werden."

Nach Ansicht der Bundesregierung sind Bretons Ideen in Teilen weder neu noch gebe es ein akutes Problem zu lösen: "Der Vorschlag einer stärkeren Harmonisierung" bei der Frequenzvergabe komme "in regelmäßigen Abständen auf", habe sich aber nicht durchsetzen können. "Letztlich ist die Frequenzvergabe auch eine Frage der nationalen Souveränität", betont das BMDV. "Frequenzgenehmigungen sollten wegen nationaler Besonderheiten nicht auf EU-Ebene zentralisiert werden." Lediglich bei der Frequenzen-Koordination an Grenzen kann sich das BMDV Verbesserungen vorstellen.

Im Hinblick auf Bretons Wunsch nach mehr gesamteuropäischen Akteure und Lösungen verweist man in Berlin auf bestehende Gremien wie die European Conference of Postal and Telecommunications Administrations (CEPT). Die "funktionieren und sind für die Mitgliedstaaten von Vorteil", heißt es aus dem BMDV. "Aus unserer Sicht sollten sie nicht geändert werden."

Auch der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) äußert Bedenken und sieht "die Schaffung eines europäischen Binnenmarkts der Telekommunikation durch einheitliche Regulierung und die damit verbundene Forderung einiger Marktakteure nach einer Konsolidierung auf wenige nationale oder gar europäische Player" kritisch. Den verschiedenen Ausbauszenarien der EU-Länder bei Glasfaser- und Mobilfunknetzen werde das nicht gerecht. Ein "One size fits all"-Ansatz sei kontraproduktiv und würde die Ausbauziele in Deutschland und Europa gefährden.

Auch bei den ebenfalls von Breton geplanten Vorschlägen für mehr IT-Sicherheit in den Netzwerken der Zukunft ist die Bundesregierung tendenziell skeptisch. Man wolle eventuelle Vorschläge ergebnisoffen prüfen, teilt ein BMDV-Sprecher mit – allerdings unterlägen "Fragen der öffentlichen Sicherheit, auch in Bezug auf Telekommunikationsnetze, der mitgliedstaatlichen Souveränität." Bereits jetzt gebe es ein hohes Maß an Harmonisierung.

Doch bislang war Deutschland hier keineswegs Vorreiter. "Sie können sich nicht vorstellen, wie viel Energie ich in die 5G-Toolbox gesteckt habe", sagte Thierry Breton. Und das meine ausdrücklich auch Deutschland, wo Breton besonders intensiv Überzeugungsarbeit leisten musste. Die Vorgaben zur 5G-Sicherheit müssten jetzt aber auch umgesetzt werden.

Es gehe auch weiterhin um konkrete Risiken, nicht um Herstellernamen, betonte der EU-Digital- und Binnenmarktkommissar in Brüssel. Die konkreten Vorschläge, wie Deutschland tatsächlich künftig mit kritischen Herstellern umgehen will, werden seit Monaten zwischen den Ministerien, vor allem dem federführenden Innen-, dem Digital- und dem Außenministerium, intensiv diskutiert.

Bretons Offensive für den Digital Networks Act folgt auf seinen gescheiterten Versuch, die großen Internetplattformen unter dem Banner "Fair Share" an den Netzkosten zu beteiligen. Die Konsultation der EU-Kommission hatte gezeigt, dass das außer den großen Telcos niemand für eine gute Idee hält. Die Debatte um Fair Share solle man vergessen, denn das sei eigentlich eine Frage der Vergangenheit und Gegenwart, sagte Breton jetzt. Nun gehe um die Fragen der Zukunft.

(vbr)