Digitale EU-Dekade: Superrechner und schnelle Netze für digitale Souveränität
Die EU-Kommission hat ihre milliardenschweren Pläne für Hochleistungsrechner und Hochgeschwindigkeitsnetze erläutert - für eine "digitale Dekade" in der EU.
Die nächsten zehn Jahre sollen zur "digitalen Dekade" in der EU werden, hatte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen (CDU), am Mittwoch als Losung in ihrer ersten Rede zur Lage der Union ausgegeben. Am Freitag hat die Brüsseler Regierungsinstitution nun erste konkrete Vorhaben für den Ausbau von Supercomputern und schnellen Netzen wie 5G detaillierter vorgestellt, um diesem Anspruch gerecht zu werden.
Zu dem Paket gehört ein Entwurf für eine neue Verordnung für das "Gemeinsame Unternehmen für europäisches Hochleistungsrechnen" (GU EuroHPC), das seit 2018 existiert und in Luxemburg sitzt. Mit der Initiative will die Kommission "die führende Rolle Europas" in den Bereichen Supercomputern und Quanteninformatik erhalten und ausbauen. Das Budget für das EuroHPC-Programm soll damit mithilfe staatlicher und privater Investitionen von gut einer auf acht Milliarden Euro wachsen.
Mit den Mitteln wird die EuroHPC-Initiative dem Plan nach bis Anfang 2021 drei sogenannte "Vor-Exa-Systeme" aufbauen, die mindestens 1017 Rechenoperationen pro Sekunde ausführen können und so zu den fünf besten Supercomputern der Welt gehören würden. Als Standorte sind Italien, Finnland und Spanien vorgesehen. Vorgesehen ist zudem der Betrieb von fünf Peta-Systeme mit mindestens 1015 Rechenoperationen pro Sekunde etwa in Bulgarien, Portugal, Slowenien und Tschechien, die weltweit unter den Top 50 wären.
Auf dem Weg zum ExaFlops-Rechner
Weltklasse-Supercomputer können derzeit mehr als eine Billiarde Rechenoperationen pro Sekunde ausführen (PetaFlops-Leistung). Aktuelle Spitzensysteme schaffen sogar bereits die ebenfalls anvisierten über 1017 Operationen pro Sekunde (Vor-ExaFlops-Leistung). Ab 2022 wird die nächste ExaFlops-Generation mit mehr als einer Trillion (1018) Operationen pro Sekunde erwartet. Diese Leistung wäre vergleichbar mit der zusammengefassten Rechenkapazität aller Mobiltelefone der gesamten EU-Bevölkerung.
Mit den neuen Anlagen soll sich die auf europäischer Ebene verfügbare Hochleistungsrechenkapazität um das Achtfache steigern. Die Luxemburger Zentrale werde allen Anwendern in ganz Europa – darunter öffentlichen Stellen, industriellen Anwendern und insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) – unabhängig von ihrem Standort die bestehenden europäischen Hochleistungsrechenressourcen zugänglich machen, verspricht die Kommission. Die Infrastruktur könnte "für über 800 Anwendungen in den Bereichen Wissenschaft, Industrie und öffentlicher Sektor in Europa herangezogen werden".
Mit dem Vorhaben werde nicht nur die Forschung für die akademische Welt vorangetrieben, beteuerte Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Auch der Mittelstand brauche diese Kapazitäten und die EU wolle sie KMU "genauso bereitstellen, wie wir ihnen Strom liefern". Dies sei ein wichtiger Ansatz, um die digitale Souveränität Europas zu stärken: "Wir müssen dafür sorgen, dass wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen können."
Big Data, KI, Telemedizin ... you name it
Als Anwendungsschwerpunkte nennt die Kommission Big-Data-Analysen, Künstliche Intelligenz, Robotik, Telemedizin, Cloud-Technik und Cybersicherheit. Zudem werde das erweiterte EuroHPC-Programm helfen, etwa Wettervorhersagen, die städtischen und ländlichen Raumplanung, die Abfall- und Wasserbewirtschaftung sowie die Modellierung von Meeren und Eislandschaften zu verbessern und so den europäischen Grünen Deal einfacher durchsetzen zu können. Im Gesundheitswesen und im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie trügen Supercomputer beispielsweise über das Konsortium Exscalate4CoV bereits zur Suche nach Behandlungsmöglichkeiten bei, modellierten und prognostizierten die Ausbreitung von Infektionen und unterstützen Eindämmungsmaßnahmen.
Zudem hat die Kommission die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert, verstärkt in Breitbandnetze "mit sehr hoher Kapazität" und so in die Basisinfrastruktur für die Digitalisierung zu investieren sowie ein gemeinsames Konzept für die 5G-Einführung zu entwickeln. Eigentlich sollten alle EU-Bürger schon Ende des Jahres die Möglichkeit haben, die neue Mobilfunkgeneration zu nutzen. Die Ausschreibungen für einige der Frequenzen seien aufgrund der Corona-Krise aber in Verzug geraten, räumte die für das digitale Zeitalter zuständige Kommissionsvizechefin Margrethe Vestager nun ein.
Corona-Verspätung
Breton sprach von Verzögerungen von "ungefähr vier Monaten", die es nun wieder aufzuholen gelte. Die Mitgliedstaaten sollen nun bis Ende März ein gemeinsames Konzept in Form eines Instrumentariums bewährter Verfahren für den zügigen Ausbau von Fest- und Mobilfunknetzen mit sehr hoher Kapazität auf die Beine stellen. Zu den Zielen gehört es laut der Kommission, die Kosten zu senken, unnötige bürokratische Hürden abzubauen und zügig Zugang zu 5G-Funkfrequenzen zu gewähren.
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Bis Mitte September hatten die EU-Länder und Großbritannien erst durchschnittlich 27,5 Prozent der entsprechenden Pionier-Frequenzbänder zugeteilt. Eine verstärkte grenzübergreifende Koordination soll nun dazu beitragen, Europas Hauptverkehrswege wie Straßen, Schienenstrecken und Binnengewässer "bis 2025 unterbrechungsfrei mit 5G-Technik auszustatten". Jenseits des vorgeschlagenen "Werkzeugkastens" stützt sich die Empfehlung aber nur auf die bereits bestehende 52018DC0492:Richtlinie zum Breitbandausbau, die etwa Rechte zur Mitnutzung von Leitungen und effizientere Streitbeilegungsmechanismen vorsieht. Weitere Vorschläge etwa zur Plattformregulierung und einem Online-Ausweis will die Kommission während der nächsten Monate vorstellen.
(jk)