Digitale Souveränität: Deutschland und Frankreich fördern 5G-Campusnetze
Insgesamt 17,7 Millionen Euro stecken die beiden EU-Staaten in private 5G-Netzwerke, mit denen etwa der drahtlos vernetzte Operationssaal erprobt werden soll.
Deutschland und Frankreich haben die Sieger in einem Wettbewerb bekanntgegeben, mit denen die beiden Nachbarländer "das europäische Ökosystem für private Netzwerke im Bereich der 5G-Telekommunikation" mit innovativen Lösungen voranbringen wollen. Die vier Gewinner erhalten für die Realisierung ihrer Projektvorschläge im Bereich von Campusnetzen insgesamt 17,7 Millionen Euro.
Die beteiligten 16 deutschen und 14 französischen Partner sollen mithilfe der Geldspritze vom Staat "den Mehrwert von 5G in verschiedenen Anwendungsszenarien" wie in der Industrie 4.0, in Gewerbegebieten sowie in der Medizin demonstrieren. Bei den Projekten handelt es sich jeweils um deutsch-französische Kooperationen in beiden Ländern. Diese hatten 2020 eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der 5G-Anwendungen vereinbart und im Frühjahr 2021 den Förderaufruf für entsprechende innovative Initiativen gestartet.
5G-Lösungen für den Krankenhausbetrieb
Bei gleich zwei Vorhaben, die den Zuschlag erhielten, geht es um die Entwicklung eines drahtlos vernetzten Operationssaals in einer privaten 5G-Netzwerkumgebung. 5G OR hat sich zum Ziel gesetzt, mit einer solchen Einrichtung vor allem "personalisierte und sichere minimalinvasive Eingriffe" zu unterstützen und die Behandlungsqualität zu verbessern. Entsprechende interoperable Pilotprojekte sollen in Kliniken in Berlin (Charité), Mannheim und Straßburg starten. Beteiligt sind unter anderem auch das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), das französische Forschungsinstitut b-com sowie das Berliner Systemhaus Sectorcon.
Das 5G Forum bringt ebenfalls Industrie- und Universitätsakteure zusammen, um drahtlose 5G-Lösungen für den Krankenhausbetrieb zu entwickeln. Damit soll die Installation und Vernetzung wichtiger medizinischer Geräte einfacher und sicher gestaltet werden. Chirurgen können dem Plan nach zudem bei Bedarf besser auf Teleunterstützung zurückgreifen. Entsprechende Lösungen werden zunächst im Universitätsklinikum Aachen getestet und in der zweiten Phase in Grenoble implementiert werden. Zu den deutschen Partnern gehört auch der Medizintechnikhersteller Surgitaix aus Herzogenrath.
Open Source-Campusnetze
Die 16 Macher des Projekts 5G-Opera wollen helfen, den Aufbau von Campusnetzen mit Open Source beziehungsweise virtualisierten Hardware- und Softwarelösungen auf der Grundlage einer offenen Architektur wie Open RAN zu erleichtern. Damit verknüpft ist der umstrittene Ansatz, Mobilfunknetze unabhängiger von Technikausrüstern wie Huawei aus China zu machen. Neben Testumgebungen für Industriebetriebe in beiden Ländern sollen drei ausgewählte Demo-Vorhaben aufgesetzt werden. An Bord sind etwa zwei Fraunhofer-Institute, die TUs in Berlin und Dresden, NXP und Xelera.
Mit 5G4BP streben Akteure wie Highstreet Technologies, Xelera, 6Wind, Alsatis und Spectronite ebenfalls an, offene 5G-Netze in Gewerbegebieten oder Gemeinden einzurichten, die bisher noch nicht von öffentlichen Mobilfunknetzen abgedeckt sind. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zeigte sich überzeugt: "Wir gehen damit einen weiteren großen Schritt für digitale Souveränität bei 5G in Europa." Beide Länder wollten "die neuesten Mobilfunkstandards nicht nur einführen, sondern auch mitgestalten".
Nachfrage nach eigenen Campusnetzen wächst
Der Aufbau eines "deutsch-französischen, souveränen Ökosystems für 5G und für künftige Telekommunikationsnetztechnologien wird eine Schlüsselrolle spielen", um Europa auf diesem Innovationsfeld an die Spitze zu bringen, betonte der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire. 2019 hatte die damalige französische Telekommunikationsstaatssekretärin Agnes Pannier-Runacher dagegen noch erklärt, dass Paris im Gegensatz zu Deutschland kein Spektrum für private Campusnetze reservieren wolle.
Französische Organisationen hätten dafür keinen "klaren" Bedarf angemeldet, meinte die Politikerin damals in einem Interview. Es könnte zudem Probleme mit dem Management der Frequenzen geben sowie zu Interferenzen kommen, wenn die verfügbare Signalbreite zwischen zu vielen Akteuren aufgeteilt werde.
Die hiesige Bundesnetzagentur hatte im Zuge der Versteigerung der 5G-Frequenzen im Juni 2019 einen Teil des Spektrums zurückgehalten und wenig später den Rahmen dafür abgesteckt, dass Funkfrequenzen für den Betrieb auf Werks- und Forschungsgeländen freigeben werden können. Neben BASF, Siemens, Bosch und der Deutschen Messe kündigten etwa auch Volkswagen, BMW und Daimler frühzeitig an, Anträge einreichen und eigene Campusnetze betreiben zu wollen. Seitdem wächst die Nachfrage nach solchen eigenen Mobilfunksystemen. Als eine der größten Initiativen in diesem Bereich gilt der "Industry Campus Europe" in Aachen.
(bme)