Digitale Wohnsitzanmeldung: Vorzeigeprojekt oder Flop?

Die Online-Ummeldung soll Bürgern und Behörden Zeit sparen. Doch der Dienst ist bisher nur in zwei Städten verfügbar – und er wurde im ersten Jahr kaum genutzt.

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Die Wohnsitzanmeldung ist für die Verwaltung ein Massengeschäft: Bundesweit bearbeiten die Meldebehörden rund 5,5 Millionen Ummeldungen pro Jahr. Mit einer Online-Ummeldung könnten also Bürger und Behörden gleichermaßen viel Zeit sparen. Doch mit der Digitalisierung geht es in diesem wichtigen Bereich nur schleppend voran: Bislang ist die Online-Ummeldung nur in Hamburg und Lübeck überhaupt verfügbar. Und dort, wo sie verfügbar ist, wird sie bislang kaum genutzt, wie Zahlen aus Hamburg zeigen.

Eine Hürde sind wie so oft die föderalen Strukturen: Für die Ummeldung sind die Kommunen zuständig, und bundesweit gibt es nicht weniger als 5200 kommunale Meldebehörden. Die Einführung erfolgt deshalb in vielen kleinen Schritten: Am 1. September 2022 startete der Onlinedienst in Hamburg, wo er auch entwickelt worden war. Erst im Oktober 2023 wurde mit Lübeck eine zweite Kommune an den Dienst angebunden.

Immerhin: Künftig soll der Dienst schneller in die Fläche kommen. Aktuell binde man 52 weitere „Pilotkommunen“ aus 13 Bundesländern an, erklärte die Hamburger Senatskanzlei auf Anfrage von c’t. Dadurch sollen in den jeweiligen Bundesländern Strukturen entstehen, durch die die Anbindung weiterer Städte einfacher wird. Bis man sich bundesweit online ummelden kann, dürften angesichts der Zahl von 5200 Meldebehörden aber noch einige Jahre ins Land gehen.

Der föderale Flickenteppich ist nicht das einzige Problem. Es gibt auch noch funktionale Einschränkungen, zum Beispiel können sich bislang nur Alleinstehende online ummelden. Das liegt laut dem Hamburger Senat am Standard XMeld, über den der Onlinedienst mit der Wegzugs- und der Zuzugsmeldebehörde kommuniziert. Dieser Standard unterstütze erst im Release 3.4, das für Mai geplant ist, die Ummeldung von Familien.

Eine weitere Hürde stellen die rechtlichen Anforderungen dar. Bürger können sich deshalb nicht in ein paar Minuten online ummelden, sondern müssen über mehrere Tage daran arbeiten: Wenn man sich mit dem E-Perso online ausgewiesen und seine neue Adresse eingetippt hat, schicken die Behörden erst einmal einen Brief dorthin, um zu überprüfen, ob man wirklich dort wohnt. Hat man einen Code aus dem Brief online eingegeben, darf man zu Hause mit dem Smartphone via NFC die Adressdaten auf seinem elektronischen Personalausweis aktualisieren. Zu guter Letzt kommt ein Adressaufkleber per Post, den man auf den Aufweis klebt. Mieter müssen obendrein eine Wohnungsgeberbescheinigung auf Papier heraussuchen (oder beim Vermieter besorgen), einscannen und hochladen. Insgesamt listet die offizielle Anleitung ein Dutzend Schritte auf.

Manch einer erledigt die Sache deshalb vielleicht doch lieber analog: Laut der Senatskanzlei haben sich in Hamburg von September 2022 bis Mitte Oktober 2023 nur circa 4000 Personen online umgemeldet. Das entspricht 1,5 Prozent der insgesamt 260.000 jährlichen An- und Ummeldungen in dem Bundesland. Eine niedrige Quote – auch, wenn man berücksichtigt, dass der Dienst bislang nur für Singles verfügbar ist.

"Letztendlich entscheidet nicht nur die Verfügbarkeit einer Leistung online, sondern auch ihre tatsächliche Nutzung", kommentierte Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Digitalisierungsinitiative D21, gegenüber c't. Bürgerinnen und Bürger müssten von den Angeboten erfahren. "Dies kann zum Beispiel durch prominente Platzierung auf den Websites, proaktive Kommunikation seitens der Mitarbeiter*innen und bei Bedarf durch klassisches Informationsmaterial in den Behörden erreicht werden." Eine Herausforderung sei aber auch der E-Perso, den laut einer D21-Studie nur 14 Prozent der Bürger überhaupt schon einmal genutzt haben.

Grundsätzlich sieht Müller die Online-Ummeldung aber positiv. Der digitale Prozess ohne persönliches Erscheinen auf dem Amt, sei "genau der richtige Schritt" und biete Bürgern einen spürbaren Mehrwert, sagt sie gegenüber c't. Lobenswert sei auch, dass Hamburg den Dienst nach dem "Einer-für-alle-Prinzip" für eine schrittweise Einführung in ganz Deutschland entwickelt habe. "Dieser Ansatz ist durchdacht, da er eine rasche und kosteneffiziente Integration von Dienstleistungen ermöglicht."

(cwo)