Digitale Zukunft: Keine Chance für die Privatsphäre?

Die digitale Spaltung der Gesellschaft nimmt zu und der Trend zum gläsernen Bürger ist nicht aufzuhalten - zwei Ergebnisse einer Expertenbefragung des Münchner Kreises zur IT-Zukunft.

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Von
  • Monika Ermert

Der Trend zum gläsernen Bürger ist nicht aufzuhalten: Der Schutz der Privatsphäre wird in den kommenden 10 Jahren nicht besser werden. Das sagten mehrheitlich eine Gruppe von 538 Experten, die im Auftrag von Münchner Kreises, EICT, Deutscher Telekom, TNS Infratest, VDE, Siemens und SAP zur Zukunft und Zukunftsfähigkeit der deutschen IT befragt wurden. 91 Prozent unterstrichen, dass digitale Spuren im Netz immer besser nachverfolgbar werden. Nur 10 Prozent erwarten, dass sich der Schutz der Privatsphäre verbessern wird. Für den Schutz persönlicher Daten muss nach Einschätzung dieser Experten der Einzelne selbst sorgen, der Staat als Garant für den Datenschutz kommt erst an zweiter Stelle. Interessant auch das Ergebnis zur Frage pseudonymer Nutzung im Netz: Nur 40 Prozent der Befragten rechnet damit, dass sich im kommenden Jahrzehnt die Menschen dieser Möglichkeit zu ihrem eigenen Schutz bedienen.

Die Studie zur IT-Zukunft ist eine Nachfolgestudie zu einer vom Münchner Kreis vor 10 Jahren erstellten Zukunftsstudie. Arnold Picot, Wirtschaftswissenschaftler und Vorstandsvorsitzender des Münchner Kreises, sagte bei der Vorstellung am Rande der IT-Messe Systems, man wolle mit der Gesamtstudie, die im kommenden Jahr abgeschlossen sein soll, einen prognostischen Blick ins nächste Jahrzehnt der Netzkommunikation werfen. Zunächst sollen aus den bisherigen Umfrageergebnissen und weiteren Analysen politische Handlungsanleitungen für den bevorstehenden 3. IT-Gipfel der Bundesregierung] abgeleitet werden. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert die Studie als offizielles IT-Gipfel-Projekt. Im Juli 2009 soll dann die Gesamtstudie "Delphi 2020" Aussagen zu Trends und Szenarien für die Netzkommunikation des nächsten Jahrzehnts liefern.

Von den Aussagen der befragten Experten fanden die Macher der Studie insbesondere drei Ergebnisse bemerkenswert. Die digitale Spaltung der Gesellschaft wird sich demnach nach Ansicht von zwei Drittel der Befragten in den kommenden Jahren weiter verstärken und "dazu führen, dass sich eine besser gebildete, einkommensstarke Elite herausbildet, die als solche die Entwicklung in Deutschland prägen wird". Als Hauptbarriere für eine Überwindung der digitalen Spaltung hierzulande sahen die Experten mehrheitlich die mangelnde Bildung und nicht etwa das fehlende Geld der Verbraucher. Wenig überraschend wurde der allgegenwärtige, breitbandige Internetzugang als die zentrale Voraussetzung für die zukünftige Entwicklung von multimedialer Kommunikation und netzbasierten Anwendungen bezeichnet.

Kommunikation und Datenverkehr liegen im Ranking der Nutzungsmöglichkeiten der künftigen Netze an Platz eins, noch vor dem Bereich Unterhaltung, gefolgt vom Einsatzmöglichkeiten im Bereich Energieeffizienz, Sicherheit, Ressourceneffizienz und Gesundheit. Allerdings gibt es hier gewisse Unterschiede in der Bewertung der Experten, je nachdem, ob sie aus dem Endkundengeschäft ("Business to Consumer", B2C) oder aus dem Geschäft zwischen Unternehmen ("Business to Business", B2B) kommen. Bei der Nutzung unterwegs schneidet das mobile Fernsehen schlecht ab, nur 14 Prozent der Befragten halten das mobile Kleinformatfernsehen für wichtig. Ohnehin ist es vor allem die "produktive Nutzung der Zeit unterwegs", die bei der mobilen Nutzung im Vordergrund steht.

Möglicherweise spiegelt sich in den Antworten, dass Experten in Unternehmen, nicht aber die künftige Generation der Nutzer für diesen Teil der Studie befragt wurde. Auch die mehrheitliche Einschätzung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk wichtig bleibt, wäre sonst vielleicht anders ausgefallen. Kritische Nachfragen zur stärkeren Einbeziehung der Anwenderseite und auch der sogennanten "Digital Natives", also der mit Computern und Internet praktisch aufgewachsenen jungen Nutzern, beantworteten die Autoren der Studie damit, dass weitere Daten und Umfrageergebnisse mit berücksichtigt würden. Wie gut die Vorhersagen der ersten Studie von 1999 gewesen seien, kommentierte Jörg Eberspächer, Professor für Kommunikationsnetze an der TU-München und Vorsitzender des Forschungsausschusses des Münchner Kreises: "Was wir nicht so gesehen haben war die Entwicklung des Web 2.0, aber auch den hohen Durchdringungsgrad der Mobilkommunikation." Besser seien die Vorhersagen beim E-Government gewesen; manches sei nach wie vor ein Thema: etwa die Bedienbarkeit der Technik als eine Herausforderng. (Monika Ermert) / (jk)