Digitaler Antennenfunk europaweit im Kommen
Neben DVB-T könnte sich gemäß eines Berliner Pilotprojekts vor allem DVB-H für die Flimmerkiste auf dem Handy als Zugpferd für das interaktive Fernsehen entpuppen.
40 Auserwählte in Berlin können die Olympischen Spiele momentan auf dem Smart Phone beziehungsweise einem anderen Handheld verfolgen. Die mobilen Zuschauer sind Versuchskaninchen im Projekt Broadcast Mobile Convergence (bmco), zu dem sich Nokia, Philips, Universal Studios Networks Germany und die Entwicklungsabteilung von Vodafone im August 2003 zusammengeschlossen haben. Erste Ergebnisse des gut einjährigen Pilotprojekts und eines achtwöchigen Nutzertests, der mit dem Digitalfernsehstandard DVB-H experimentiert, präsentierte bmco-Chef Claus Sattler auf dem Medienforum Berlin-Brandenburg 2004. Demnach "funktioniert die Technik gut", freute sich der Professor. Das Nutzerinteresse sei "sehr groß".
Mit der Abdeckung für den mobilen TV-Funk hapert es in dem Feldtest zwar. Zur Verfügung steht bei dem noch bis Mitte September laufenden Versuch nur ein Testkanal mit 10 Kilowatt Leistung. Normale Sender für DVB-T (Digital Video Broadcast-Terrestrial) funken mit 50 oder gar 100 Kilowatt. DVB-H (Digital Video Broadcast-Handheld) ist eine Variante von DVB-T, die wenig Strom verbraucht und für die Mobilwelt optimiert wurde. Wie Sattler im Gespräch mit heise online erklärte, kann man auf dem bislang einzigen auf den Standard ausgerichteten Handy, dem Nokia 7700, oder auf dem inzwischen auch zum Einsatz kommenden Philips Hotman 2 zwar theoretisch gut drei bis vier Stunden lang fernsehen, bevor der Akku leer ist. Doch der Empfang sei teilweise in der S-Bahn in Berliner Außenbezirken besser als etwa in Hinterhöfen nahe des Alexanderplatzes, obwohl von dort das Hauptsignal ausgestrahlt wird.
Neben der Funktionsprüfung hat sich bmco zum Ziel gesetzt, nach Geschäftsmodellen für die mobile Flimmerkiste zu suchen. So stehen außer dem normalen TV-Programm, bei dem sich Sport-Events sowie Nachrichten als wichtigste Attraktionen herausgestellt haben, auch interaktive Dienste bereit. In Kooperation mit VIVAplus können die Nutzer nicht nur über den nächsten Video-Clip abstimmen, sondern mit zwei weiteren Klicks auch gleich den Song als Klingelton ordern. Hier macht es sich laut Sattler bezahlt, die Telefon- und IP-Welt mit ihren einfachen Kommunikations-, Personalisierungs- und Abrechnungsmöglichkeiten mit der Rundfunkwelt und ihren guten Übertragungswegen zu vereinen. Als weiteres Beispiel nannte er das Abrufen eines Kino-Trailers und der anschließenden Bestellung von Tickets.
Die Erfahrungen zeigen dem Projektleiter zufolge, dass die Hoffnungen der Sender und Netzbetreiber auf das interaktive Fernsehen mit dem Mobil-TV aufgehen könnten. So hätten die Testnutzer im Durchschnitt 15 Minuten für einen einzelnen Dienst aufgewendet. Eine zusätzliche Umfrage bei 1500 Leuten habe ergeben, dass 80 Prozent der Teilnehmer die portable Flimmerkiste für eine "gute" oder "hervorragende" Idee halten. Ebenfalls 80 Prozent hätten angegeben, dafür über 12 Euro im Monat berappen zu wollen. Diese Summe sieht Sattler aber als zu hoch an. Um DVB-H zu einem langfristigen Erfolg zu führen, mahnte der Experte "die Entwicklung offener Marktmodelle" an. Alle Netzbetreiber und Inhalte-Anbieter müssten Zugang zu den Plattformen haben. Einfluss auf das Business-Modell habe zudem der Einsatz von Techniken zum Digital Rights Management, da sie Zusatzkosten verursachen. Mit großflächigen kommerziellen Angeboten rechnet Sattler nicht vor 2006, da vorher zuwenig geeignete Terminals zur Verfügung stünden.
Auch in anderen europäischen Ländern wird eifrig an der digitalen TV-Zukunft gebastelt. In Österreich etwa haben sich die Technische Universität beziehungsweise ihr Ableger Joanneum Research, Siemens, Telekom Austria, ORF sowie die Regulierungsunternehmung RTR zu einem Verbund zusammengeschlossen, der mit DVB-T und einer DVB-H-ähnlichen mobilen Übertragungstechnik momentan 150 Haushalte in Graz versorgt. Erste Tests in einem Demo-Auto, das mit einem Mehrfachempfänger ausgerüstet war, verliefen laut Otto Koudelka von der TU Graz vielversprechend. Der Digitalfunk sei deutlich besser in dem Wagen angekommen als analoge TV-Signale. Um die nötigen Inhalte aufzubereiten, hat der ORF die Marke OK -- sie steht für den Bestätigungsknopf auf der Fernbedienung -- ins Leben gerufen. Geboten werden als Zusatzdienste zum immer mitlaufenden TV-Bild diverse Nachrichten, bei denen die Schlagzeilen direkt per XML aus der Datenbank des Online-Auftritts des Senders importiert werden. Dazu kommen Hintergrundinformationen zu Dokumentationen oder Sportsendungen, Ausgehtipps und Wettervorhersagen. Der Fokus liegt allein auf MHP (Multimedia Home Platform). Der Standard, der von Boxen-Herstellern wegen der teuren Implementierung gescheut wird, lässt sich laut Hans Hrabal vom ORF inzwischen für "einige spaßige Sachen" verwenden. So habe sein Haus etwa in MHP integrierte Java-Games "so gut wie am Laufen".
In Italien ist DVB-T ebenfalls kaum aufzuhalten -- schon aus dem simplen Grund, weil sich Ministerpräsident und Medienkonzern-Chef Silvio Berlusconi per Gesetz die Fußballübertragungsrechte für das digitale Antennenfernsehen für seine Mediaset gesichert hat. Knapp 500.000 subventionierte Empfangsboxen hat die Holding unters Volk gebracht. Nun sollen sich die Zuschauer eine vorausbezahlte Smart Card kaufen, auf der für jedes Spiel drei bis vier Euro abgerechnet werden. Große Hoffnungen setzt der Mediaset-Manager Alberto Sigismondi ferner auf interaktive Werbung: "Sie glauben gar nicht, wie viel Zeit die Leute damit verbringen", erklärte er. Renner sei das Java-Spiel "Plaque-Attacke", bei dem die Umworbenen Zahnpasta-Proben gewinnen können. (Stefan Krempl) / (jk)